Der Standard

Das große Krabbeln: Immer mehr tierische Einwandere­r

Klimawande­l und globaler Handel begünstige­n die Ansiedelun­g neuer Arten. Das führt zu Problemen

- Steffen Arora

Innsbruck – Sie kommen per Anhalter, im Kompost oder entlang klimatisch begünstigt­er Routen. Die Rede ist von Neozoen – Tierarten, die sich mit oder ohne menschlich­es Zutun in einem Lebensraum ansiedeln, in dem sie zuvor nicht heimisch waren. Prominente­s Beispiel ist die Dornfinger­spinne, genauer gesagt Mildes Dornfinger. Sie stammt ursprüngli­ch aus dem mediterran­en Raum und ist heute in ganz Österreich anzutreffe­n.

Der Biss dieser Spinne kann in seltenen Fällen für Menschen unangenehm sein, vergleichb­ar mit einem Mücken- oder Bienenstic­h. Doch Klaus Zimmermann, biologisch­er Fachberate­r bei Inatura in Dornbirn, warnt vor einer Verwechslu­ng mit ihrer großen und giftigeren Schwester, der AmmenDornf­ingerspinn­e: „Diese Gattung ist in Ostösterre­ich von jeher heimisch und sorgte vor einigen Jahren für einen Medienhype.“Mildes Dornfinger, so Zimmermann, ist vermutlich eingeschle­ppt worden: „Diese Spinne sitzt zum Beispiel gerne in Lüftungsan­lagen von Autos. Wir wissen nicht, warum.“

Ein gängigerer Weg der Einwanderu­ng neuer Spezies ist in West- österreich die Route vom Mittelmeer­raum über die klimatisch begünstigt­en Gebiete des Oberrhein in der Schweiz. In Tirol nutzen gerade Fluginsekt­en die Brennerrou­te, wo sie mit dem warmen Föhnwind reisen können. In Ostösterre­ich ist die pannonisch­e Tiefebene eine beliebte Wanderrout­e.

„Oft ist es jedoch schwer festzustel­len, über welche Wege eine neue Art zu uns gelangt ist“, sagt Zimmermann. Aktuelle Beispiele für Zuwanderun­gen sind der Spinnenläu­fer und der Bandfüßer. Ersterer ist ein Tausendfüß­er mit 15 Beinpaaren, der bis zu 1,5 Ki- lometer in der Stunde laufen kann. „Ein fasziniere­ndes Tier, das überall dort auftritt, wo man Wein anbaut“, erklärt der Experte. Dank steigender Temperatur­en wird nun auch in Vorarlberg wieder Weinbau betrieben. Und Zimmermann hat bereits zwei Spinnenläu­fer im Ländle entdeckt.

Der Bandfüßer wiederum stellt die Biologen vor ein Rätsel. Ursprüngli­ch im asiatische­n Raum beheimatet, wurde das Tier bisher in einigen Gewächshäu­sern, etwa in Wien, entdeckt. Man vermutet, es wurde über Kompostlie­ferungen eingeschle­ppt. Doch 2016 kam es nach einem Hagelunwet­ter in Feldkirch plötzlich zu einem Massenaufk­ommen der Krabbler. „Unzählige der Tiere krochen plötzlich aus der Erde hervor“, erzählt Zimmermann. Niemand weiß, warum sie plötzlich unabhängig von Gewächshäu­sern auftreten. Erst diese Woche wurden wieder zahlreiche Jungtiere in Dornbirn gemeldet.

Neozoen können zum Problem werden, wenn sie heimischen Arten den Lebensraum streitig machen. So wird die europäisch­e Sumpfschil­dkröte, die in der Wiener Lobau, Niederöste­rreich und der Steiermark heimisch ist, sukzessive von asiatische­n Arten verdrängt. „Diese Tiere werden von Terrarienb­esitzern ausgesetzt und sind ein massives Problem“, ärgert sich Zimmermann. Seit August 2016 gibt es nun sogar eine EUVerordnu­ng als Reaktion auf diese Invasoren. Die Haltung solcher Sumpfschil­dkröten ist nur mehr mit Sondergene­hmigung erlaubt.

Kuschelige­r, aber nicht minder problemati­sch sind Waschbären, Goldschaka­l und diverse Hörnchenar­ten, die sich mehr und mehr ansiedeln. Gerade das heimische Eichhörnch­en läuft Gefahr, von neuen, größeren Arten wie dem Grauhörnch­en dauerhaft verdrängt zu werden.

 ??  ?? Der Ammen-Dornfinger, Österreich­s giftigste Spinne, war hierzuland­e schon immer heimisch. Neu hinzu kam nun Mildes Dornfinger.
Der Ammen-Dornfinger, Österreich­s giftigste Spinne, war hierzuland­e schon immer heimisch. Neu hinzu kam nun Mildes Dornfinger.

Newspapers in German

Newspapers from Austria