Banken in Ungarn könnten zum Handkuss kommen
Aus dem Streit um die Familienbeihilfe droht ein Streit um die Finanzinstitute zu werden
Wien – Es knirscht wieder Gebälk: Wegen der Pläne der rot-schwarzen Regierung, die Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder an das Preisniveau der Herkunftsländer anzupassen, hat Ungarns Sozialminister Zoltán Balog wie berichtet Gegenmaßnahmen angekündigt, die in Ungarn tätige Banken treffen könnten.
Es wäre nicht das erste Mal, dass sich die Regierung von Premier Viktor Orbán auf den Finanzsektor einschießt. Im Zuge der Finanzkrise wurde 2010 eine Bankenabgabe eingeführt, die im Ver- gleich zu anderen Staaten sehr hoch ausfiel (zunächst umgerechnet über 400 Millionen Euro).
Erst nach und nach gelang es, die Ungarn zum Einlenken zu bringen. Anfang 2015 unterzeichnete man eine Absichtserklärung mit der Osteuropabank EBRD, in der man zusagte, die Abgabe deutlich zu reduzieren und das Geschäftsklima für die Banken wieder zu verbessern. Kurz darauf wurde bekannt, dass der ungarische Staat und die EBRD mit je 15 Prozent bei der ungarischen Tochter der Erste Group einsteigen.
Die Folge des Kurswechsels: Die Erste Group musste im Vorjahr nur mehr 19,4 Millionen Euro an Bankenabgabe zahlen. 2015 waren es noch über 46 Millionen. Mit Jahresbeginn ist eine neuerliche Senkung in Kraft getreten.
Generell ist der Bankensektor daher mit den Entwicklungen in den letzten Jahren in Ungarn nicht unzufrieden. Kommentieren wollte die Aussagen von Sozialminister Balog zwar niemand, die Entwicklungen werden aber bei den heimischen Instituten mit Sorge betrachtet. Noch hoffe man, dass es sich nur um Vorboten des Wahlkampfs (voraussichtlich wird das ungarischen Parlament 2018 gewählt) handle, heißt es.
Aufregung um Immokredite
Für Aufregung sorgt aber bereits ein anderes Thema. Im März wurde in Budapest ein Gesetz beschlossen, das es Banken erschweren würde, Immobilienkredite weiterzuverkaufen. Sie dürfen das künftig nur mehr, wenn der Kaufpreis bei zumindest 90 Prozent des Immokredits liegt (bisher reichten 70 Prozent).
Die Banken klagen nun, dass sich die Bereinigung des Marktes mit Fremdwährungskrediten verzögern würde. Auch die EBRD hat sich bereits eingeschaltet, weil sie einen Verstoß gegen das Abkommen aus 2015 sieht. Anfang der Woche wurde mitgeteilt, dass man nun gemeinsam mit der ungarischen Regierung nach Wegen suchen wolle, um etwaige negative Folgen für die Banken zu lindern. Die Politik zeigt sich ob der ungarischen Drohungen unbeeindruckt. Familienminister Sophie Karmasin (ÖVP) kündigte an, man strebe weiterhin einen Beschluss zur Familienbeihilfe noch vor dem Sommer an. Es sei nur „logisch und fair, sie an die tatsächlichen Lebenserhaltungskosten des Landes, in dem die Kinder leben, anzupassen“. Für die SPÖ wies die außenpolitische Sprecherin Christine Muttonen die „ungarischen Drohgebärden entschieden zurück“.
Die ÖVP hält die Kürzung bei der Familienbeihilfe für europarechtlich zulässig und beruft sich dabei auf ein Gutachten des Arbeitsrechtlers Wolfgang Mazal. Der Europarechtler Franz Leidenmühler erklärte zuletzt allerdings, es sei „sonnenklar“, dass die Karmasin-Pläne rechtswidrig seien. Der SPÖ-Klub monierte Mittwochabend, dass dazu bis dato Gesetzestexte von der ÖVP fehlen – sowie eine Folgenabschätzung für den Pflegbereich.
Zuletzt flossen rund 250 Millionen Euro an Familienbeihilfe ins Ausland, der größte Teil ging an Ungarn (39 Millionen), gefolgt von Rumänen (28 Millionen) und Tschechen (25 Millionen).