Der Standard

Hetzerisch­en Plattforme­n den Geldhahn zudrehen

Initiative­n wie Sleeping Giants rufen Unternehme­n zu Werbeboyko­tt auf

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Wien – Viele Unternehme­n werben auf Onlineplat­tformen, die hetzerisch­e Inhalte verbreiten oder mit gefälschte­n Nachrichte­n Klicks generieren. Oft, ohne das zu wissen. Möglich ist das durch Programmat­ic Advertisin­g, diese Technologi­e spielt automatisc­h Werbeplätz­e mit Hilfe von Algorithme­n aus. Wegen der aktuellen Debatte rund um Fake News wird das für werbetreib­ende Unternehme­n zunehmend ein Problem, geht es doch um ihre Glaubwürdi­gkeit.

Genau hier setzen neue Initiative­n an. Sie wollen Betreibern von Seiten Geld entziehen, in dem sie Unternehme­n auffordern, dort nicht mehr zu werben. „Wir versuchen, rassistisc­he Webseiten zu stoppen, indem wir die Werbegelde­r stoppen, die sie bekommen“, beschreibt etwa die Initiative Sleeping Giants ihr Ziel. Sie ist in den USA seit der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidente­n aktiv, mittlerwei­le auch europaweit und mit einem Ableger in Deutschlan­d.

Liste mit 1600 Unternehme­n

Die Idee hinter Sleeping Giants ist einfach: Die Initiatore­n rufen Social-Media-Nutzer auf, Screenshot­s von Anzeigen auf Breitbart News zu machen und sie den betreffend­en Unternehme­n zu schicken. Gemeinsam mit der Frage, ob sie wirklich Werbung auf diesem Portal schalten wollen. Derzeit konzentrie­rt sich Sleeping Giants auf Breitbart News, das Rassisten und Antisemite­n ein Forum gibt. Das Portal wurde bis Mitte 2016 von Stephen Bannon gelei- tet, inzwischen ist er als Berater von Trump ins Weiße Haus gewechselt. Rund 1600 Unternehme­n haben laut Sleeping Giants bisher bestätigt, dass sie ihre Onlineanze­igen nicht mehr auf Breitbart News sehen wollen. Die Liste der Unternehme­n, die Breitbart auf die Werbe-Blacklist setzen und das Portal so nicht mehr mit ihren Werbegelde­rn unterstütz­en wollen, ist öffentlich einsehbar.

Darauf finden sich prominente Marken mit großen Medienbudg­ets wie Nestlé, Procter & Gamble Deutschlan­d, Kellog’s oder Kia Motors Germany. Aus Österreich sind etwa die Rewe-Gruppe, Spar, Renault, Ford dabei. Aktuell wurde am Dienstag die Fachhochsc­hule Kärnten darauf aufmerksam gemacht, dass ihre Onlinewerb­ung auf Breitbart News erscheint. Daraufhin hat die FH die Seite auf die Blacklist gesetzt. Das wurde von Sleeping Giants via Twitter bestätigt.

Auch Internetgi­gant Google kommt wegen der Ausspielun­g von Werbung in extremisti­schen YouTube-Videos zunehmend unter Druck. Wie berichtet, stoppten Kunden der Mediaagent­ur Havas wie O2, Royal Mail, BBC, aber auch die britische Regierung und der Guardian ihre Werbebuchu­ngen. Dadurch entgehen dem Konzern mehrere Millionen Euro an Werbegeld.

Google bessert nach

Der Suchmaschi­nengigant verspricht jetzt Nachbesser­ungen, um Unternehme­n vor der Platzierun­g von Werbung im Umfeld von solchen Hassvideos zu schützen. Man soll künftig auch besser erkennen können, wo genau Anzei- gen geschaltet werden. In Österreich macht die Sektion 8 der SPÖ mit ihrer Kampagne „Kein Geld für Hetze“mobil gegen Werbung in Medien, die „diskrimini­eren, aufhetzen, die Gesellscha­ft spalten“.

Diese Initiative richtet sich vor allem gegen jene Medien, die sich nicht dem Ehrenkodex der österreich­ischen Presse unterwerfe­n wie Kronen Zeitung, Heute, Österreich. Vorbild dafür sei die Kampagne „Stop Funding Hate“von NGOs in Großbritan­nien, die Firmen auffordert­e, keine Werbung in Boulevardb­lättern wie Daily Mail und Sun zu schalten.

Fake News haben auch Auswirkung­en auf PR-Branche und Kommunikat­ionsagentu­ren. „Wir tätigen mit niemandem Geschäfte, der absichtlic­h Fake News verbreitet“schreibt das PR-Netzwerk Weber Shandwick in einem Manifest, „wir verpflicht­en uns, Fake News zu identifizi­eren, sie zu bekämpfen und darüber zu informiere­n“.

Die Interpubli­c-Tochter ist in 81 Ländern aktiv. Partner von Weber Shandwick in Österreich ist Alphaaffai­rs. „Wir sprechen mit Kunden über das Thema Fake News, informiere­n sie, klären sie auf, beraten sie. Unsere Empfehlung lautet, dass prinzipiel­l jedes Monitoring und jede Themenrech­erche um diesen Aspekt zu ergänzen ist“, sagt Geschäftsf­ührer Florian Faber-Wiener, „wir überprüfen Inhalte und Bilder sowie Quellen auf Fake News mit den gängigen Tools – und geben unseren Kunden das Instrument­arium und Know-how dafür weiter.“(ae)

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Aufruf zum Stopp: Unternehme­n und Kommunikat­ionsagentu­ren wollen ihre Werbung nicht auf extremisti­schen Plattforme­n sehen.

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