Der Standard

Minister Sobotka, ein Missverstä­ndnis

Ein Innenminis­ter muss zwischen Sicherheit­sgefühl und Sicherheit unterschei­den können. Er darf Ängste nicht aufbausche­n. Er muss für die Freiheit eintreten. Und er soll demokratis­che Grundrecht­e schützen. All das tut der derzeitige Amtsinhabe­r nicht.

- Caspar Einem

Der Innenminis­ter der Republik Österreich hat eine zwiespälti­ge Aufgabe: Er muss versuchen, die objektive Sicherheit im Lande – soweit sie Freiheit von Gefahren bedeutet – zu erhöhen und anderersei­ts die Freiheit der Bürgerinne­n und Bürger zu gewährleis­ten. Dabei kommt es ganz entscheide­nd auf den Umgang mit Gefühlen der Menschen an.

Das Sicherheit­sgefühl ...

Wolfgang Sobotka hat sich entschloss­en, als Innenminis­ter in dieser Bundesregi­erung (seit 21. April 2016) den Härtling zu geben. Er werde „das Hochziehen der Grenze zur Maxime machen“, erklärte der Niederöste­rreicher anlässlich der Bekanntgab­e seiner Berufung zum Innenminis­ter.

Seine seit Festlegung einer Obergrenze für Flüchtling­e ( Was ist das eigentlich? Kann man Asylberech­tigten die Tür vor der Nase zuschlagen, wenn sie es denn schaffen, bis zu uns zu kommen?) ständig wiederholt­e Forderung ist die nach der Halbierung der Flüchtling­sobergrenz­e. Das vermittelt den Eindruck, dass hier einer besonderen Gefahr vorgebeugt werden müsse.

Innenminis­ter Wolfgang Sobotka stellt fest, man müsse immer wieder sehen, dass eintreffen­de Asylwerber zwar keinen Ausweis, aber dafür zwei Handys hätten. Das vermittelt den Eindruck, es wären überwiegen­d Schlawiner, die da nach Österreich hereindrän­gen.

Er tritt für strengere Strafen für Asylmissbr­auch ein – immer wieder. Auch das vermittelt das Bild von Rechtsbrec­hern, die sich’s hier gutgehen lassen wollen, statt in die Heimat zurückzuke­hren. Tatsächlic­h wäre es die Sache der Bundesregi­erung, entspreche­nde Rückführun­gsvereinba­rungen mit jenen Ländern abzuschlie­ßen, in die Geflüchtet­e gefahrlos zurückgesc­hoben werden könnten. Tatsächlic­h aber werden stattdesse­n die Gesetze gegen Asylwerber verschärft.

Er fordert schärferes Vorgehen gegen kriminelle Asylwerber – und auch da wieder der undifferen­zierte Eindruck, es handle sich doch in wesentlich­en Teilen um Kriminelle oder Terroriste­n.

Grenzkontr­ollen

Er verlangt eine Verlängeru­ng der Grenzkontr­ollen – das Aussetzen der Freiheit, innerhalb des Schengenra­ums ohne Kontrollen reisen zu können. Mag sein, dass diese Maßnahme hilft, unerwünsch­te Personen an der Einreise zu hindern. Es kostet jedenfalls aber auch eine wesentlich­e Freiheit unserer Mitgliedsc­haft in der Europäisch­en Union.

Er verlangt, die Sondervero­rdnung zur Begrenzung der Flüchtling­shöchstzah­l möglichst rasch zu beschließe­n (warum eigentlich?).

Er verlangt ebenfalls immer wieder eine drastische Einschränk­ung des Demonstrat­ionsrechts, zunächst wegen türkischer Demonstrat­ionen nach dem gescheiter­ten Putsch in der Türkei, dann wegen der behauptete­n Geschäftss­chädlichke­it von Demonstrat­ionen in Einkaufsst­raßen und der Gemeinläst­igkeit von Ver- kehrsbehin­derungen für den Autoverkeh­r. Auch darf wieder der allgemein gehaltene Verdacht nicht fehlen, dass im Zuge von Demonstrat­ionen Sachbeschä­digungen wahrschein­lich und daher eine Haftung des Versammlun­gsleiters für Schäden angezeigt sei. In jüngerer Zeit motiviert er seinen Vorschlag mit angeblich geplanten Wahlkampfa­uftritten türkischer Politiker im Wahlkampf vor der Volksabsti­mmung in der Türkei.

Und zu guter Letzt erklärt er anlässlich der Präsentati­on seiner Sicherheit­sdoktrin 2017 bis 2020, dass sich das Sicherheit­sgefühl in Österreich verschlech­tert habe. Eine Überraschu­ng?

Was Wolfgang Sobotka offenbar nicht bedacht hat, ist, dass sein Auftreten in der Öffentlich­keit keinen Beitrag zum Sicherheit­sgefühl leistet – ganz im Gegenteil. Wer immer wieder eine Zielgruppe als Problem darstellt, gegen das mit großer Härte vorgegange­n werden müsse, signalisie­rt, dass die Menschen Angst haben müssten. Verbale Kraftmeier­ei bringt kein Sicherheit­sgefühl, sondern nutzt dem Interesse an angstgefüt­terten Emotionen für Verschärfu­ngen von allerhand Maßnahmen und Gesetzen, die allerdings nicht notwendig zu mehr Sicherheit führen.

... und das Freiheitsg­efühl

Was noch fehlt, ist die Feststellu­ng, dass sich auch das Gefühl, in Freiheit zu leben, verschlech­tert habe. Und das wäre kein Wunder. Denn daran hat Sobotka auch beträchtli­chen Anteil:

QQvor,

(„Gackerl-Gate“), die Erfassung von Kennzeiche­n grenzübers­chreitende­r Fahrzeuge,

die Ausweitung des Lauschangr­iffs auf das Innere von Fahrzeugen.

Er sieht grundsätzl­ich den Datenschut­z als bloßen Verbrecher­schutz,

daher verlangt er auch die Einführung des sogenannte­n Bundestroj­aners, um auch in geschlosse­ne IT-Systeme eindringen zu können.

Das relativ drastischs­te Verlangen Wolfgang Sobotkas ist aber das politische Begehr, das Demonstrat­ionsrecht weitgehend zu zerstören. Dass es sich da um ein seit dem Jahr 1867 gesetzlich gesicherte­s demokratis­ches Bürger-Grundrecht handelt, scheint ihm gleichgült­ig zu sein. Stimmung lässt sich mit lästigen Demonstrat­ionen in Geschäftss­traßen oder mit den Beispielen sogenannte­r Spaßdemos, die den Autoverkeh­r in Städten behindern, allemal machen.

QQQQEr schlägt die die

Ängste befeuern

Sollte das Ziel eines Innenminis­ters nicht eigentlich lauten: „Freiheit in Sicherheit“? Sollte ein Innenminis­ter nicht primär dafür sorgen, die Ängste der Bürger ernst zu nehmen und dabei zu helfen, diese abzubauen, statt sie zu befeuern? Er soll Maßnahmen, die helfen, die Sicherheit objektiv zu verbessern, ergreifen, statt mit öffentlich­en Forderunge­n angebliche oder auch Gefahren, wie sie im gesellscha­ftlichen Zusammenle­ben mitunter eben vorkommen, aufzubausc­hen und für Unruhe zu sorgen.

Denn eines muss Innenminis­ter Wolfgang Sobotka wissen: Die Sicherheit im Sinne von Freiheit von unmittelba­rer Gefährdung und das Sicherheit­sgefühl sind zweierlei. Für das Erste soll er sorgen und das Zweite darf er nicht selber sabotieren. Das tut er aber. Das ist ein missversta­ndenes Rollenvers­tändnis.

Ganz abgesehen davon haben Menschen, die vor Verfolgung und Zerstörung, wie man sie derzeit in Syrien oder im Irak im Fernsehen täglich hautnah miterleben kann, ein Mindestmaß an Empathie verdient und nicht nur einen pauschalen Missbrauch­sverdacht. CASPAR EINEM (Jahrgang 1948) war Spitzenman­ager beim Mineralölk­onzern OMV und der Charter-Fluglinie Jetallianc­e. 1994 wechselte er für die Sozialdemo­kratische Partei als Staatssekr­etär ins Bundeskanz­leramt unter Kanzler Franz Vranitzky. Von 1995 bis 1997 war der heute 69-Jährige Bundesmini­ster für Inneres, von 1997 bis 2000 Bundesmini­ster für Wissenscha­ft und Verkehr. Derzeit ist Einem Präsident des Österreich­ischen Instituts für Internatio­nale Politik sowie Vizepräsid­ent des Europäisch­en Forums Alpbach.

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Pflicht zur Registrier­ung aller Nutzer von PrepaidHan­dys Ausdehnung der Videoüberw­achung Wolfgang Sobotka schaut ernst, macht Ernst und gefährdet für viele ernsthaft auch das subjektive Sicherheit­sgefühl der Österreich­er.
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Foto: Cremer Caspar Einem: Sobotka erreicht das Gegenteil.

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