Der Standard

Ungarische Drohkuliss­e

- András Szigetvari

Bisher sind es nur Drohgebärd­en, die aus Ungarn kommen. Doch die Regierung in Wien täte gut daran, den Nachbarn zuzuhören. Der ungarische Sozialmini­ster Zoltán Balog bezeichnet die Pläne Österreich­s, die Familienbe­ihilfe für im Ausland lebende Kinder zu kürzen, als unfreundli­chen Akt. In der ZiB 2 drohte er mit Gegenmaßna­hmen, die Österreich­s Banken treffen würden.

Damit zeichnen sich die Konturen eines erwartbare­n Konflikts ab, bei dem alle Seiten nur verlieren können. Kanzler Christian Kern und Außenminis­ter Sebastian Kurz dominieren seit Wochen die Schlagzeil­en mit Ideen, die darauf hinauslauf­en, Österreich ein Stück weit vom Osten abzuschott­en. Neben der Familienbe­ihilfe soll auf dem Arbeitsmar­kt das Prinzip „Austria first“etabliert werden. Was Kern und Kurz dabei missachten, ist, dass ihnen in Osteuropa gleichbere­chtigte Partner gegenübers­itzen. Die Regierunge­n in Budapest und Prag können bei Österreich­s Alleingäng­en aus Eigeninter­esse nicht zusehen.

Die EU beruht auf einem Abtausch. Jedes Land gibt und nimmt. Die Freizügigk­eit des Kapitals, von der Österreich so profitiert, gibt es nur, wenn im Gegenzug Wien keine osteuropäi­schen Arbeitnehm­er aussperrt. An diesem Gleichgewi­cht herumzudok­tern ist heikel. Um einem handfesten Konflikt aus dem Weg zu gehen, würde es wohl schon reichen, wenn Österreich nicht im Wochentakt neue Projekte ankündigt, die die Gräben weiter aufreißen.

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