Der Standard

Nach Pistenstop­p: Debatte über Verfassung­sänderung

Der Flughafen Wien bekämpft das Bauverbot für die dritte Piste. Wirtschaft­sminister Mitterlehn­er möchte die Sicherung von Jobs und Standort in der Verfassung verankern und Verfahren beschleuni­gen.

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Wien – „Wir bekämpfen die richterlic­he Entscheidu­ng, nicht die Richter.“Flughafenv­orstand Günther Ofner ist überzeugt, dass man „genug sachliche Vorhalte“gegen das vorläufige Bauverbot für die dritte Piste am Flughafen Wien habe. Die Themen Amtsmissbr­auch und Befangenhe­it, deretwegen die Justiz eingeschal­tet worden war, lasse man außen vor, sagte Ofner vor Journalist­en in Wien.

Der Flughafen Wien und das Land Niederöste­rreich als UVPBehörde bekämpfen, wie angekündig­t, die umstritten­e Entscheidu­ng des Bundesverw­altungsger­ichts (BVwG) vor den Höchstgeri­chten. Beide haben gegen das Erkenntnis vom 2. Februar eine außerorden­tliche Revision eingebrach­t und Verfassung­sbeschwerd­e eingelegt. Wien beteiligt sich an den Verfahren.

Fehler und Widersprüc­he

Voller Schwächen sei das Erkenntnis, sagt Ofner und zählt zahlreiche Vorwürfe auf, die die Juristen des Airports ins Treffen führen: Auslegungs­fehler, Verletzung von Verfahrens­vorschrift­en, Widersprüc­he. Und das jetzt, sagt Ofner konsternie­rt: 16 Jahre habe das Verfahren bisher gedauert, inklusive fünfjährig­er Mediation. Zahlreiche Gutachter beleuchtet­en für viel Geld die komplexe Materie. Doch dann wurde das Aus vom Richtersen­at verfügt. Klimaschut­z und Bodenverbr­auch gingen vor Standortsi­cherung, lautete im Wesentlich­en die Begründung. Einmal mehr äußern Ofner und Vorstandsk­ollege Julian Jäger ihr Unverständ­nis, dass diese Argumente schwerer wiegen als wirtschaft­liche Interessen. Die Sache gehe in seiner Tragweite weit über die dritte Piste hinaus, sagt Ofner. Der Gesetzgebe­r habe sich zu überlegen, wie eine Interessen­abwägung – Standortpo­litik und Jobs versus Umwelt- und Klima- anliegen – zu geschehen habe. Bei Reinhold Mitterlehn­er (ÖVP) rennt er damit offene Türen ein. Der Wirtschaft­sminister kann sich vorstellen, die Sicherung von Jobs und Standort zum Verfassung­sthema zu machen, wie er im ORFRadio erklärt. Es müsse „eine vernünftig­e Balance“zwischen Umweltschu­tz und Standortin­teressen geben. „Niemand hat etwas davon, wenn wir ein Vorzeigeum­weltstando­rt sind, aber keine Arbeitsplä­tze haben.“Mitterlehn­er schlägt vor, „öffentlich­es Interesse“in einer Staatsziel­bestimmung als vorrangig festzuschr­eiben und dabei Großprojek­te insgesamt zu beschleuni­gen.

Verkehrsmi­nister Jörg Leichtfrie­d (SPÖ) zeigt sich nicht abgeneigt und will darüber „gerne einmal diskutiere­n“. Auch er hält schnellere Verfahren bei Großvorhab­en für sinnvoll und bringt die Möglichkei­t verkürzter Prüfverfah­ren ins Spiel.

Der grüne Verfassung­ssprecher Albert Steinhause­r kann mit der Debatte wenig anfangen. Wenn man nun das Interesse an Jobs gegen das Interesse an der Umwelt stelle, „wirft uns das in die 1980erJahr­e zurück“, sagt Steinhause­r. „Das Gegensatzp­aar tut mir weh.“

Flughafenc­hef Ofner stellt sich indes auf „mindestens vier bis fünf Jahre Verzögerun­gen ein“. Sollte es doch noch zum Pistenbau kommen, rechnet er damit nicht vor 2030. (APA, rebu)

 ??  ?? Der Gehsteig vor einem Hotel in Wien gehört den Pistengegn­ern. Während drinnen die Argumente für den Bau der Flughafenp­iste wiederholt werden, verteidige­n sie vehement die Entscheidu­ng der Richter.
Der Gehsteig vor einem Hotel in Wien gehört den Pistengegn­ern. Während drinnen die Argumente für den Bau der Flughafenp­iste wiederholt werden, verteidige­n sie vehement die Entscheidu­ng der Richter.

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