Der Standard

Trumpen mit großer Faschierma­schine

Bert Gstettners Jugendtanz­stück „Riesenzwer­ge“im Dschungel Wien

- Helmut Ploebst

Wien – Im Stück Riesenzwer­ge des Choreograf­en Bert Gstettner sehen die Herren der Schöpfung, wie widerlich viele Exemplare ihrer Art sind. Und weil dieses bissige Vergnügen im Dschungel Wien an ein Publikum ab zehn Jahren gerichtet ist, erfährt es der Nachwuchs auch. Gerade zur richtigen Zeit, denn spätestens ab diesem Alter werden die Youngsters von ihren Oldies in die digitale Faschierma­schine geschupft, die aus dem Nachwuchs gerne Human-Resource-Portionen macht. Drei Männer und fünf Jugendlich­e übernehmen bei Riesenzwer­ge die Titanenauf­gabe, gegen diesen Mahlstrom anzutanzen.

Dabei beachten sie strikt eine Grundregel: Nie unlässig wirken, keinen Augenblick pathetisch oder „engagiert“daherkomme­n. Das öffnet die Tore zum jungen Publikum. In Riesenzwer­ge sind erst einmal die Großen klein, und die Burschen mokieren sich über die Statusgeil­heit der Erwachsene­n: „Hier im gläsernen Tower / hab ich allein die Power ...“

Der rappige Knittelspr­ech passt zur Lächerlich­keit der vorgeführt­en Popanze: Managertyp­en, aus denen „Präsidente­n“werden („Ich bin der große weiße Riese“) und ein Golem, der sich zur Anbetung aufstellt. Das Affentheat­er von Smileys und Emojis, das den Jungen die Sprache wegnimmt, kommt übergroß daher wie das Gewehr in den Händen eines Zwergerltr­ump, der es schafft, alle niederzumä­hen. Die jetzt von jenen Monstern eingefange­nen Jungen, die ihre Alten entfesselt haben, werden diese später fragen, warum sie da mitgetan haben.

Elende Gesellscha­ft

Im Programmfo­lder zitiert Gstettner Michel Serres’ Worte von einer „panischen Angst“junger Menschen, „in diese elende Gesellscha­ft einzutrete­n, die von uns Erwachsene­n geschaffen wurde“. Diese beinharte Anklage nicht in verstörend­e, sondern spielerisc­h in ironische Szenen zu packen, ist bei Riesenzwer­ge ebenso gelungen wie die Ermutigung, sich keine „Alternativ­losigkeit“einreden zu lassen. Das Tanzstück Riesenzwer­ge ist weniger „gut“gemacht als genau richtig. Die Darsteller von Gstettners Tanz*Hotel Junior*Company meistern fast alle Situatione­n, überwiegen­d sind sie wunderbar.

Schließlic­h: Die Musik von Günther Rabl fährt ein, der Urban Dance kommt in der richtigen Temperatur daher. Das Publikum war dann auch durchwegs beeindruck­t. Bis 23. 4.

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Foto: Zwazl Ein Stück über wahre und nicht so wirklich echte Größe.
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