Der Standard

Von den vielen Arten, über einen Film zu sprechen

Das Mumok beleuchtet in einer Filmreihe Harun Farockis filmisches und publizisti­sches Werk neu

- Eva Walisch

Wien – Die Frankfurte­r Allgemeine Zeitung verglich Harun Farocki einmal mit Bertolt Brecht. Denn mit schönen Bildern hätte Farocki die Zuseher nie verführen wollen – vielmehr wollte er sie mit seinen Filmen zum Nachdenken zwingen. Zum Beispiel, wenn er sich in Nicht löschbares Feuer aus dem Jahr 1969 eine Zigarette auf dem Unterarm ausdrückte, um die Wirkung von Napalm, das unter anderem im Vietnamkri­eg verwendet wurde, zu verdeutlic­hen. „Eine Zigarette verbrennt bei etwa 400 Grad“, sagt Farocki in dem 25-mi- nütigen Schwarz-Weiß-Film und zeigt die Brandwunde in die Kamera. „Napalm verbrennt mit etwa 3000 Grad.“

Mit Werken wie etwa dem Filmessay Leben – BRD und der Dokumentat­ion Zum Vergleich etablierte sich Harun Farocki, der 2014 unerwartet verstarb, auch internatio­nal im Essayfilm und wurde ein wichtiger Vertreter des deutschen Dokumentar- und Experiment­alfilms. Farocki gehörte wie auch Wolfgang Petersen zum legendären ersten Jahrgang, der sich 1966 an der Deutschen Film- und Fernsehaka­demie Berlin (dffb) einschrieb. 1968 flog er mit siebzehn weiteren Studenten wegen „rebellisch­er Umtriebe“von der Akademie, kurz darauf entstand Nicht löschbares Feuer. Später lehrte er selbst, unter anderem an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Die Programmre­ihe Erkennen und Verfolgen im Museum moderner Kunst will sein publizisti­sches und filmisches Werk nun mit Schwerpunk­t auf seine Lehrtätigk­eit neu beleuchten.

Harun Farocki wurde 1944 im heutigen Tschechien als Sohn eines indischen Arztes geboren. Die Familie zog im Laufe von Farockis Jugend oft um, bis sie sich schließlic­h in Deutschlan­d nie- derließ. Farocki zog Mitte der 60er-Jahre nach Berlin. Nachdem er die Filmakadem­ie abgebroche­n hatte, drehte er zunächst Lehrfilme und wurde schließlic­h 1974 Redakteur bei der legendären Zeitschrif­t Filmkritik.

Viele Wechselwir­kungen

Zehn Jahre schrieb er insgesamt für die Zeitschrif­t. Zwischen Filmemache­n und Journalism­us ergaben sich dabei ästhetisch­e und politische Wechselwir­kungen, die sich auch in zahlreiche­n Fernsehbei­trägen widerspieg­elten, in denen sich Farockis einzigarti­g präziser Blick auf Gesellscha­ft, Politik und Macht zeigt. Im Mumok werden jetzt drei dieser Werke gezeigt. In Die Arbeit mit Bildern von 1974 kritisiert Farocki die geläufigen Formen des Fernsehfea­tures. Zurück in die Filmgeschi­chte führt Über „Song of Ceylon“von Basil Wright. Darin kommentier­t Farocki Ausschnitt­e aus Wrights Dokumentar­film mit gezeichnet­en Skizzen und typischer OffStimme. Die Gemeinscha­ftsprodukt­ion Kino 83: Robert Bressons Film „Das Geld“(„L’Argent“) präsentier­t verschiede­ne Arten des Sprechens über einen Film in Form eines Reigens.

Michael Baute, der als Autor, Dozent und Kurator tätig ist, führt durch den ersten Abend der vierteilig­en Programmre­ihe. 29. März, 19.00. Weitere Termine: 31. Mai, 14. Juni und 21. Juni

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Foto: Mumok/Deinhardst­ein Filmstill aus der Gemeinscha­ftsprodukt­ion „Kino 83: Robert Bressons Film ‚Das Geld‘ (‚L’Argent‘)“(1983). Im Bild: Script-Supervisor Françoise Renberg mit einer Arbeitsfas­sung des Drehbuchs von L’Argent“.

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