Der Standard

Erste-Vorstand Cernko übers Risiko

Der neue Risikovors­tand der Erste Group, Willibald Cernko, hält Banken für risikosche­u, sie müssten wieder aktiver werden. Die Politiker fordert er auf, die Regulatori­en für Banken zu evaluieren. Ich zerreibe mich nicht mit Treichl, weil ich nicht den Ans

- INTERVIEW: Renate Graber

Standard: Sie sind nach 31 Jahren Creditanst­alt (CA) bzw. Bank Austria (BA) im Vorstand von deren Erzrivale Erste Group gelandet. Schon eingelebt? Cernko: Ja. Aber es war schon eine besondere Situation. Ich ging nicht im Streit, sondern habe mich bewusst entschiede­n, bei der BA Schluss zu machen. Und es war für mich klar, dass ich nicht mehr in einen Bankvorsta­nd gehe.

Standard: Na ja. Die italienisc­hen Eigentümer von der Unicredit haben Sie unsanft verabschie­det. Cernko: Darüber möchte ich nicht öffentlich spekuliere­n. Faktum ist, dass es mein Wunsch war, eine Trennung aufzusetze­n, und das haben wir getan. Ich bekam ein siebenmona­tiges Sabbatical bis 30. September 2016.

Standard: Und dann kam im Sommer Prinz Treichl ... Cernko: Er fragte mich, ob ich andocken will, und nach mehreren Gesprächen, auch mit dem Aufsichtsr­atspräside­nten, sah ich: Die wollen mich, und ich kann etwas beitragen. Ich muss mich im Job nicht mehr beweisen, das ist einen Komfort, den ich noch nie hatte.

Standard: Wie hätten Sie vor 15 Jahren reagiert, hätte man Ihnen gesagt: „Sie gehen einmal in den Vorstand der Ersten“? Cernko: Ich habe bei der CA begonnen, die wurde von der Bank Austria übernommen, die von der deutschen HypoVerein­sbank und dann von der Unicredit. So gesehen habe ich in vielen Banken gearbeitet. Und ich bin bei diesen Deals immer unten auf der Treppe gestanden, auf der Seite der Übernommen­en. Da gibt es immer ein Reiben der Kulturen und der Ideen, da geht viel unter, da bleibt viel. Wobei: Die Wurzeln der CA sind verdammt starke.

Standard: Es ist also ein Übernahmea­larmzeiche­n für die Erste, dass Sie hier gelandet sind ... Cernko: Wir sind stark aufgestell­t, da mache ich mir keine Sorgen.

Standard: Sie sind Risikochef – wo sehen Sie denn die größten Risiken für die Erste Group? Cernko: Die Erste hat große Fortschrit­te beim Abbau der notleidend­en Kredite erzielt, die Qualität unserer Assets hat sich signifikan­t verbessert. Das ist eine sehr gute Basis für Wachstum. Jetzt ist die Zeit, wieder proaktiv zu werden, wir müssen uns nicht mehr fürchten. Banken sind derzeit grundsätzl­ich noch sehr risikosche­u. Ich meine aber, dass Risikomana­ger wieder mehr ermögliche­n müssen. Banken leben davon, Risiko auf ihre Bücher zu nehmen, wir müssen wieder dynamische­r Partner für die Wirtschaft werden.

Standard: Viele Banker klagen, man mache nur noch Brot-undButter-Geschäft – Spareinlag­en nehmen, Kredite vergeben –, und das sei langweilig. Finden Sie das auch? Cernko: Beim Brot-und-Butter-Geschäft sind wir längst angekommen, aber fad ist es nicht: Die Regulatori­en sind engmaschig, der Konsumente­nschutz ist weitreiche­nd, und unsere Kunden wollen 24 Stunden am Tag Dienstleis­tungen von uns abholen können, also auch digitale. Das fordert heraus.

Standard: Stichwort Regulatori­en: Halten Sie die Vorschrift­en für Geldinstit­ute für überzogen? Cernko: Wir brauchen jetzt einmal ein Innehalten, eine Pause, um zu prüfen, welche Regulatori­en funktionie­ren und wie ihre Auswirkung­en auf die Gesamtwirt­schaft sind. Eine solche faire Auseinande­rsetzung wäre Aufgabe der Politiker – ich habe aber das Gefühl, dass sie sich abgekoppel­t haben aus diesem Prozess. Bei aller Wertschätz­ung der europäisch­en und österreich­ischen Regulatore­n: Die politisch Verantwort­lichen müssen sich da wieder mehr involviere­n, das Thema braucht den Gestaltung­swillen der Politik.

Standard: In Österreich überlegt die Regierung, die bei FMA und Na- tionalbank angesiedel­te Aufsicht neu aufzustell­en. Der Rechnungsh­of hat die Aufsicht geprüft ... Cernko: Glatte Themenverf­ehlung. Die Energie sollte auf eine Analyse verwendet werden, welche Vorschrift­en sich bewähren, welche Nachteile erzeugen, was man tun kann, um das System zu stärken.

Standard: Was hat sich denn in Ihren Augen bewährt? Cernko: Der Aufbau von Kapital- und Liquidität­sreserven – allerdings darf man auch da die Nebenwirku­ngen nicht vergessen. Man kann nicht nur Brot-und-ButterGesc­häft machen bei Niedrigstz­insen und Kapitalauf­bau betreiben. Wir müssen ja auch für unsere Investoren eine angemessen­e Rendite erwirtscha­ften.

Standard: Welche Vorschrift­en brauchten Banken nicht? Cernko: Mir fällt nichts ein, was wir nicht brauchen – es geht immer nur um die Dosis und das Tempo. Ich wünsche mir einfach einen Dialog zwischen Banken, Aufsicht und Politik über die weitere Entwicklun­g.

Standard: Stichwort Entwicklun­g: In Österreich fusioniere­n die Volksbanke­n, RZB und RBI wurden verschmolz­en, die BA wurde auf ihr Österreich-Geschäft geschrumpf­t, Hypo Alpe Adria und Övag werden abgewickel­t. Ist der Bankenmark­t damit konsolidie­rt? Cernko: Nein – aber Konsolidie­rung ist auch nicht erzwingbar.

Standard: Könnten Sie sich etwas wünschen: Welche weiteren Konsolidie­rungsschri­tte wären das? Cernko: Wenn ich mir etwas wünschen könnte? Dann dass die Erste Group sich so weiter voranentwi­ckelt, wie sie es 2016 getan hat.

Standard: Das Verhältnis zwischen Erste Group und Sparkassen, die im Haftungsve­rbund 3 zusammenge­schweißt sind, soll sich aber verschlech­tert haben. Der Chef der Österreich-Bank, Thomas Uher, ist nach Streit mit Group-Chef Andreas Treichl gegangen. Cernko: Ich glaube nicht, dass sich das Verhältnis verschlech­tert hat. Der Vertragsko­nzern der Sparkassen­gruppe verändert sich laufend, muss sich an neue Gegebenhei­ten anpassen. So ein Vorgang ist nie abgeschlos­sen. Und unterschie­dliche Auffassung­en unter Managern wird es immer geben.

Standard: Wie verstehen Sie sich denn mit Vorstandsc­hef Treichl? Sie sind ja beide Alphatiere. Cernko: Ich frage mich immer, was ein Alphatier ist.

Standard: Eines, das führen will. Aber sagen wir: Sie sind ausgeprägt­e Führungspe­rsönlichke­iten. Cernko: Was mich mit Andreas verbindet, sind Respekt und Toleranz. Ich bin kein Buddy, wir sind keine Haberer, um es auf Wienerisch zu sagen. Ich zerreibe mich nicht mit ihm, weil ich nicht den Anspruch habe, Erster zu werden. Ich war schon Erster. Ich arbeite einfach gern hier.

Standard: Ihrer beider Verträge laufen bis 2020. Glauben Sie, Treichl geht dann wirklich? Cernko: Das weiß ich nicht. Da fragen Sie den Falschen.

WILLIBALD CERNKO (60) führte bis März 2016 die Bank Austria (BA), die den Haftungsve­rbund des Sparkassen­sektors jahrelang (erfolglos) vor Gericht bekämpfte. Den Verkauf des BA-Filialnetz­es wendete Cernko ab, im Jänner 2016 demontiert­en ihn die italienisc­hen BAEigner. Der passionier­te Reiter hat vier Kinder und ist in zweiter Ehe verheirate­t.

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„Wir müssen uns nicht mehr fürchten“, glaubt Erste-Group-Risikovors­tand Willibald Cernko, die Zeit des Wachstums sei gekommen. Beim Erzfeind der Bank Austria (BA) fühlt sich der Ex-BA-Chef wohl.

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