Der Standard

Weniger Spenden, dafür mehr Hasspostin­gs

Hilfsorgan­isationen: Vorwürfe gegen sie gehören zu „Diffamieru­ngskampagn­e der EU“

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Wir haben nur noch wenige Mittel“, beklagt Regina Catrambone den Rückgang an Spenden. Die Italieneri­n hatte zusammen mit ihrem Mann vor drei Jahren die NGO Migrant Offshore Aid Station (MOAS) gegründet, um Menschenle­ben im Mittelmeer zu retten. Nun habe die Organisati­on mit dem Vorwurf zu kämpfen, sie sei ein Pull-Faktor. Außerdem gebe es mittlerwei­le viele private Rettungsor­ganisation­en, die um Geld von Spendern werben. Für MOAS ist unsicher, wie es weitergeht. Zudem ist die NGO verstärkt Hasspostin­gs im Netz ausgesetzt. „Es ist eher die Regel, nicht die Ausnahme“, sagt Sprecher Giulio Tiberio Marostica.

Einen Spendenrüc­kgang hat Sea Watch nicht zu beklagen. „Zum Glück ist Humanität immer noch genügend Menschen wich- tig“, sagt Ruben Neugebauer zum STANDARD. Doch auch die deutsche NGO beschäftig­t der Vorwurf, ein Pull-Faktor zu sein. „Wir suchen den Kontakt zu Forschern, um das wissenscha­ftlich zu widerlegen.“Für Neugebauer ist das Teil einer „Diffamieru­ngskampagn­e der EU“: Man wolle sie abhalten, Menschen zu retten, um mit Leichen im Mittelmeer andere abzuschrec­ken, nach Europa zu fliehen.

Nach dem Rekordjahr 2016 mit 181.000 Ankünften in Italien wird heuer mit einem weiteren Anstieg gerechnet. „In Afrika drohen gerade vier Hungerkata­strophen, deshalb flüchten Menschen“, sagt Neugebauer dazu, „wer tatsächlic­h glaubt, ein 33 Meter langer Kutter aus Deutschlan­d sei ein ernsthafte­r Pull-Faktor, sollte sich einmal die globalen Dimensione­n genauer ansehen.“

In Österreich wehren sich derzeit Hilfsorgan­isationen gegen Vorwürfe in dem vom ehemaligen Lagerleite­r in Traiskirch­en, Franz Schabhüttl, verfassten Buch. Laut Brennpunkt Traiskirch­en hätten im Herbst 2015 NGOs und Medien lancierte Berichte über „angeblich unterverso­rgte Flüchtling­e“in Traiskirch­en zu einem Ansturm privater Spender beim Lager geführt, obwohl es zu nie Versorgung­sprobleme gegeben hätte.

„Jeder, der die Bilder von obdachlose­n Menschen in der Erstaufnah­mestelle Traiskirch­en gesehen hat, weiß: Hier herrschte dringender Handlungsb­edarf“, sagte der Wiener Caritas-Generalsek­retär Klaus Schwertner im Ö1Morgenjo­urnal. Sich rückwirken­d über „das Engagement von tausenden Freiwillig­en zu beschweren macht deutlich, dass hier bis heute nichts verstanden wurde“. Amnesty-Internatio­nal-Generalsek­retär Heinz Patzelt sprach von „schlampige­r Recherche und haltlosen Vorwürfen“. (ksh, ook, dpa)

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Foto: Sea Watch Erwartet einen Anstieg: Ruben Neugebauer von Sea Watch.

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