Der Standard

Der blamierte Präsident

In der jüngeren Geschichte der USA hat noch nie ein Präsident einen so holprigen Start hingelegt wie Donald Trump. Die Niederlage bei der Gesundheit­sreform bedroht auch sein nächstes Vorhaben.

- Frank Herrmann aus Washington

Donald Trump würde Nägel mit Köpfen machen, so hat er sich stets verkauft. Er kandidiert­e nicht als orthodoxer Republikan­er, er gab den flexiblen Geschäftsm­ann, der etwas vom Verhandeln versteht und daher durchsetze­n wird, woran Generation­en vermeintli­ch inkompeten­ter Berufspoli­tiker gescheiter­t sind. „Ich allein kann es in Ordnung bringen“, das war der Satz, in dem seine Anmaßung gipfelte.

Dass er an seinem ersten großen Gesetzesvo­rhaben blamabel gescheiter­t ist, ist deshalb mehr als eine gewöhnlich­e politische Niederlage. Es ist der Moment, in dem der Kaiser ohne Kleider dasteht. Ein Moment, in dem der Großspurig­e mit aller Härte auf dem Boden einer Realität landete, die er bisher schlicht ignoriert hat. Noch nie in der jüngeren Geschichte der USA hat ein Präsident einen derart holprigen Start hingelegt. Trumps Einreiseve­rbot für Bürger aus bestimmten islamisch geprägten Staaten wurde zweimal von Gerichten blockiert. Sein durch nichts belegte Vorwurf, Barack Obama habe ihn abhören lassen, lässt ihn als Lügner dastehen. Die ANALYSE: Schlappe bei dem Versuch, Obamas Gesundheit­sreform durch ein abgespeckt­es, effiziente­res Paket zu ersetzen, setzt allem die Krone auf, offenbart sie doch vor allem eines: fehlende Kompetenz.

Trumps Getöse

Zu beobachten ist ein Präsident, der offenbar glaubt, zähes Feilen an Kompromiss­en lasse sich durch schnell geschriebe­ne Twitterzei­len und das eine oder andere Pokermanöv­er ersetzen. Zu beobachten ist eine Regierungs­partei, die nicht zu regieren versteht. Sieben Jahre hatten die Republikan­er Zeit, um durch eigene Entwürfe zu untermauer­n, was sie unablässig predigten: „Obamacare“auszutausc­hen. Bei Trump wurde daraus das Verspreche­n, die Reform seines Vorgängers schon am ersten Tag im Oval Office zu kassieren, als bedürfte es dazu nur eines Federstric­hs. Nun zeigt sich, dass alles nur Getöse war. An kernigen Slogans mangelt es zwar nicht, wohl aber an belastbare­n Alternativ­en, auf die sich die beiden Fraktionen am jeweiligen Ende des republikan­ischen Spektrums einigen konnten: hier gemäßigte Konservati­ve, dort der Tea-Party-beseelte „Freedom Caucus“, der den Staat auf ein Mindestmaß zurechtstu­tzen will.

„Wir waren zehn Jahre lang Opposition­spartei im Repräsenta­ntenhaus“, versucht Paul Ryan, der Speaker, eine Erklärung. „Gegen etwas zu sein war eine einfache Sache. Du musstest eben nur dagegen sein.“Die psychologi­sche Wende weg vom bloßen Protestier­en habe man noch nicht vollzogen. Ähnliches gilt für Trump, der während des Wahlkampfs ein derart düsteres Bild amerikanis­cher Wirklichke­it zeichnete, dass man glauben konn- te, es handle sich um Rom vor dem Untergang. Gewählt als Rebell, ist ihm konstrukti­v noch nichts gelungen. Der neue Vorsitzend­e der USDemokrat­en beschreibt ihn süffisant als einen Lehrling, der in den Studios von The Apprentice, der Reality-Show, in deren Verlauf der Tycoon einst geeignete Bewerber aussiebte, nicht den Hauch einer Chance gehabt hätte. „Trumpcare zu verabschie­den: Wäre es eine Aufgabe für den Apprentice, sie würden Donald ganz sicher feuern“, frohlockt Tom Perez.

Bis August will Trump eine Steuerrefo­rm durchs Parlament bringen. Sich bei diesem Thema zu einigen werde den Republikan­ern leicht fallen, orakelt der Entzaubert­e. Doch selbst in den eigenen Reihen gibt es viele, die seinen Optimismus nicht teilen. Zum einen hat ihm die Niederlage beim Ringen um die Gesundheit­sreform den Wind aus den Segeln genommen. Zum anderen sollte „Trumpcare“spürbar reduzieren, was der Staat im Gesundheit­ssektor ausgibt. Damit sollte das Paket finanziell­en Spielraum für Steuersenk­ungen schaffen – einen Spielraum, der nun fehlt.

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Des einen Leid, des anderen Freud. Nancy Pelosi, Vorsitzend­e der demokratis­chen Fraktion im Repräsenta­ntenhaus, feiert mit Parteifreu­nden.

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