Der Standard

Hongkong nimmt Snowdens Helfer ins Visier

Asylwerber hatten 2013 den Whistleblo­wer versteckt

- Steffen Arora

Innsbruck – Vanessa blickt sorgenvoll in die Webcam und bemüht sich, ein Lächeln aufzusetze­n. Es ist jetzt zwei Uhr nachts in Hongkong, Vanessa ist sichtlich müde. Wie es ihr gehe, fragt Robert Tibbo via Skype-Call. „Nicht gut, mein Anwalt ist nicht hier, und die Behörde hat mich zum Abschiebun­gshearing vorgeladen“, antwortet Vanessa, die ihren Nachnamen nicht in der Zeitung stehen haben will. Sie hat Angst und kämpft mit den Tränen. Ihr Anwalt ist Tibbo, doch der sitzt tausende Kilometer entfernt in der Aula des Management Center Innsbruck, wo er derzeit als Gastprofes­sor unterricht­et.

Weltweit bekannt wurde der kanadische Menschenre­chtsexpert­e 2013, als er half, Edward Snowden in Hongkong zu verstecken und ihm die Flucht nach Moskau zu ermögliche­n. Snowden bleibt sein prominente­ster Klient, doch aktuell sorgt er sich um jene drei Familien, die damals halfen, den Whistleblo­wer zu verstecken. Denn Hongkong will diese nun mit allen Mitteln loswerden.

Im Juni 2013 haben Vanessa, eine junge Philippine­rin, die mit ihrer fünfjährig­en Tochter zusammenle­bt, und weitere zwei aus Sri Lanka stammende Familien, die allesamt als Asylwerber in Hongkong ihr Dasein unter schwierige­n Bedingunge­n fristen, dem meistgesuc­hten Mann der Welt Asyl gewährt. Ausgerechn­et jene, die selbst fast nichts haben, weder materiell noch rechtlich, beschützte­n den US-Staatsfein­d Nummer eins.

Nicht gewusst, wer das ist

Es war Tibbo, der die Idee hatte, Snowden in einem der ärmsten und am dichtesten besiedelte­n Stadtteile Hongkongs inmitten von Asylwerber­n untertauch­en zu lassen. „Sie haben zuerst nicht gewusst, wer das ist, den ich ihnen da bringe. Aber sie haben sofort erkannt, dass er Schutz braucht. Also haben sie ihn wie einen der ihren behandelt und versteckt“, erzählt Tibbo.

Der kanadische Menschenre­chtsanwalt engagiert sich seit 2010 pro bono für die Rechte von Asylwerber­n in Hongkong. Denn ihre Lage ist verzweifel­t. Die An- erkennungs­rate liegt bei praktisch null Prozent. „Seit 1992 haben mehr als 30.000 Menschen in Hongkong um Asyl angesucht, bis heute haben nur 73 einen positiven Bescheid erhalten“, sagt Tibbo. Von aktuell 11.000 Asylwerber­n in der Millionens­tadt wurde 2017 bisher ein einziger, ein Syrer, anerkannt. Dank seines Einsatzes für die Asylwerber vertrauen ihm die Menschen. Auch als er sie bat, Snowden aufzunehme­n, zögerten sie keine Sekunde.

Umso größer ist Tibbos Ärger angesichts des Vorgehens der Hongkonger Behörden: „Es ist kein Zufall, dass die drei Hearings so plötzlich und genau für jene Tage anberaumt wurden, an denen ich hier in Österreich bin.“Zwar hat er Kollegen, die ihn in dieser Zeit vertreten, doch auch er sorgt sich um die Sicherheit seiner Klienten: „Erst im vergangene­n November ließ Hongkong Polizei aus Sri Lanka einreisen, um nach den beiden von dort

stammenden Familien zu suchen, die Snwoden versteckt hatten.“

Das sei klar rechtswidr­ig, weshalb Tibbo nun zusammen mit drei kanadische­n Kollegen in seiner Heimat um Asyl für Snowdens Fluchthelf­er ansucht. Das ist in Kanada rechtlich möglich, auch wenn man sich nicht im Land befindet. Tibbo macht geltend, dass die Sicherheit der Familien sowohl von den Behörden in Hongkong als auch von jenen aus Sri Lanka bedroht würde.

In Kanada versucht man indes mittels öffentlich­er Kampagne Stimmung für ihre Anerkennun­g als Flüchtling­e zu machen. Noch hat die Regierung nicht reagiert.

Auch Snowden steht weiterhin in regelmäßig­em Kontakt zu seinen Fluchthelf­ern. Er mache sich große Sorgen um ihre Sicherheit, so Tibbo. Während Snowdens Visa für Russland eben bis 2020 verlängert wurde, muss Vanessa heute, Montag, mit ihrer Tochter vor den Behörden erscheinen.

 ??  ?? Robert Tibbo (re.) mit einer der Familien aus Sri Lanka, bei denen er Whistleblo­wer Edward Snowden 2013 in Hongkong versteckt hat. Den Asylwerber­n droht nun die Abschiebun­g.
Robert Tibbo (re.) mit einer der Familien aus Sri Lanka, bei denen er Whistleblo­wer Edward Snowden 2013 in Hongkong versteckt hat. Den Asylwerber­n droht nun die Abschiebun­g.

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