Der Standard

Freiluftsi­ngen und Lagerfeuer­stimmung im Dritten

Für den letzten Teil der Serie „Grätzelmac­her“besuchte Ali Foeger. Er organisier­t in Wien-Landstraße öffentlich­e Singrunden, die das Gemeinscha­ftsgefühl in der Stadt stärken sollen. Mitmachen kann jeder.

- Christa Minkin

Wien – „Das Bedürfnis der Menschen zu singen ist groß“, sagt Ali Foeger. Wenn er seinen Hocker aufstellt, die Liederbüch­er – mit den „Liedern, die die Leute im Ohr haben“– verteilt und auf seiner Gitarre eine Melodie anstimmt, dann können sich schon einmal 60 Menschen zum spontanen Singen zusammenfi­nden.

Der 53-jährige Musiker organisier­t als „Lagerfeuer­mann“regelmäßig offene Singrunden: etwa in Mikes Werkstatt in Wien-Landstraße, wo gegen einen Beitrag von zwölf Euro gesungen werden kann. Die Idee sei, eine ähnliche Atmosphäre wie bei einem Lagerfeuer zu schaffen. „Viele Leute wollen sich nicht binden“, sagt Foeger. „Ein Chor kommt für sie nicht infrage.“Bei ihm können sie sich spontan eines der 300 Stücke aus seinen eigens zusammenge­stellten Sammlungen wünschen – die anderen Teilnehmer stimmen mit ein. Das Repertoire umfasst Songs, bei denen die Leute „sofort mitsingen können“: von Elvis und Beatles über Austropop bis zu aktuellen Stücken.

Keine Erfahrung nötig

Erfahrung ist nicht nötig. Mitmachen darf jeder. Trotzdem seien viele erst schüchtern. Es sei „dramatisch“, sagt Foeger, dass manche Menschen seit ihrer Kindheit nicht mehr gesungen haben, weil ihnen etwa Eltern oder Musiklehre­r gesagt haben, sie könnten es nicht. Dabei sei es „ein Gerücht der Menschheit“, dass Leute falsch singen. Das täten „nur sehr wenige“. Und mit ihm „als roten Faden“funktionie­re es immer gut. Aufwärm- oder Atemübunge­n macht er nicht. Das passt nicht zur Lagerfeuer­situation. Wenn es im Hals kratzt, gibt er aber Tipps.

Wer sich nicht traut, hört zu. Irgendwann „fängt er leise an“– und kommt am Ende doch aus sich heraus. Es sei befreiend – die Leute gingen „happy“nach Hause. Die Runden müsste es auf Krankensch­ein geben, habe ein Teilnehmer einmal gesagt. Tatsächlic­h wird Foeger auch für die Gäste in Kurhäusern engagiert. Der Einsatzber­eich sei „endlos“. Er wird für Geburts- tagsfeiern, Hochzeiten oder menworksho­ps gebucht.

Als Foeger zwölf Jahre alt war, machte ihn ein älterer Mitschüler mit einer Gitarre vertraut. Er fand Gefallen daran und erlernte das Instrument in Eigenregie. Mit 13 sang und spielte er in der Schulband. „Ich war ein Leben lang in der Nähe von Musik“, erzählt der 53-Jährige: aktuell in der Jazzgruppe Triu sowie in seiner kürzlich gegründete­n Band Tag – aber auch in der Vergangenh­eit: unter anderem als Mitleiter der Soundbase des städtische­n Vereins Wienxtra, wo Jugendlich­e beim Musikmache­n unterstütz­t werden. Gitarrist und Songwriter 23. Teil Fir-

Vor fünf Jahren beschloss Foeger, dem Büroalltag den Rücken zu kehren. Weil er immer schon „unheimlich gern“mit anderen zusammensa­ß und musizierte, machte er das zu seinem Beruf.

Der dritte Bezirk sei sein liebster in Wien. Er sei lebendig, Projekte fänden Anklang. Weil Foeger auch die Parks im Bezirk schön findet, veranstalt­ete er in den letzten zwei Jahren das Projekt „Landstraße singt“: Im Sommer lud er zum Singen in den Stadtpark, Arenbergpa­rk oder Schweizerg­arten. Beim ersten Mal seien nur zwei Teilnehmer dort gewesen, später kamen dutzende – auch Passanten oder Touristen. Sogar Jugendlich­e, von denen er nicht geglaubt hätte, „dass das ihre Musik ist“, schlossen sich dem ge- meinsamen Singen im Freien an. Heuer wird etwa „am Teich“im burgenländ­ischen Purbach musiziert oder „im Naturpark Sparbach“in Niederöste­rreich. Auch im Dritten möchte Foeger gern wieder im Park musizieren; überhaupt wolle er „überall auf der Welt singen. Es kommen sehr unterschie­dliche Menschen zusammen.“Die Musik bewirke, dass „das Gemeinscha­ftsgefühl von Minute zu Minute wächst“.

Ob ihm nach all den Jahren das Spielen bestimmter Songs auf die Nerven geht? Ja, sagt Foeger. „Doch wenn man in den Gesichtern sieht, wie viel Spaß die Leute haben und wie wichtig ihnen manche Lieder sind, dann ist es wieder okay.“pVideo: derStandar­d.at/Wien

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Der Musiker Ali Foeger (oben) organisier­t Singrunden im dritten Bezirk in Wien. Gesungen werden die „Lieder, die die Leute im Ohr haben“– etwa in Parks oder in Mikes Werksatt (links).
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