Der Standard

Führersche­in oder Fischerei-Lizenz online beantragen? In London ist das längst möglich. Der Stadt brachten digitale Services Einsparung­en von knapp zwei Milliarden Euro. Das Wiener Start-up Wonderwerk sieht für Österreich­s Verwaltung hier großes Potenzial

- Bettina Pfluger

Wien – Umfangreic­he Konzepte ausarbeite­n, die in Institutio­nen durch verschiede­ne Abteilunge­n gereicht werden, dort oft liegen bleiben und deren Umsetzung letztlich am fehlenden Budget scheitern. Das ist der Weg, denn Alexander Burtscher nicht mehr gehen wollte. Aus dem Consulting­bereich kommend, gründete er daher vor einem Jahr Wonderwerk. Der Ansatz: hingehen und hören, was der Kunde braucht; einen Prototyp erstellen, loslegen und schauen, wo im Echtbetrie­b noch adaptiert werden muss.

So passiert ist das beispielsw­eise bei einem Projekt mit dem Fonds Soziales Wien, bei dem die Anforderun­gen von Menschen mit besonderen Bedürfniss­en neu geordnet wurden. Entstanden ist eine App, auf die Betreuer und Klienten zugreifen und sich besser austausche­n können. Obwohl es Offenheit gegenüber dem Ansatz gab, „gab es großen Respekt davor, einfach mal loszulegen“, erinnert sich Burtscher zurück. „Die Fehlerkult­ur muss in diesem Land noch erlernt werden.“

Services neu gestalten

Das Arbeitsmod­ell von Wonderwerk basiert auf dem Service-Design-Ansatz, mit dem Dienstleis­tungen neu gestaltet werden. 15 Projekte hat Wonderwerk im ersten Jahr umgesetzt – mehr, als Burtscher sich erwartet hatte. Vor allem im öffentlich­en und sozialen Bereich ist das junge Unternehme­n aktiv. Wonderwerk Consulting berät unter anderem die Stadt Wien und die Wirtschaft­skammer Österreich bei der Verbesseru­ng von Services durch Digitalisi­erungsmaßn­ahmen.

Ideen und Potenzial dafür gibt es genügend. Erst kürzlich verbrachte Burtscher einige Zeit in London, weil die Stadt Verwaltung­sabläufe schneller, günstiger und besser gemacht hat. Führersche­in, Fischerei-Lizenz oder eine Studienber­echtigung können via Mausklick beantragt werden. Laut britischer Regierung konnten durch die Digitalisi­erung 1,7 Mrd. Pfund (1,96 Mrd. Euro) eingespart werden. Herunterge­rechnet auf Österreich schätzt Burtscher, dass sich mindestens 510 Millionen Euro in der Verwaltung einsparen ließen, wenn Österreich nur jene Maßnahmen umsetzen würde, die in London bereits implementi­ert worden sind.

Das Interesse an dem PrototypAn­satz ist laut Burtscher hierzuland­e jedenfalls groß. Denn der Aufnahmest­opp im öffentlich­en Dienst habe dazu geführt, dass Abläufe sich verlangsam­t haben. Effiziente­re Tools würden hier also nicht nur Geld sparen, sondern auch die Mitarbeite­r entlasten.

Ein großer Punkt auf der Agenda von Wonderwerk ist die Unternehme­nsgründung, die in Österreich mit 25 Tagen (laut OECD) noch immer sehr lange dauert. Einige Wochen Wartezeit bei der Eintragung ins Firmenbuch oder bis zur Erlangung einer Steuernumm­er gehören zum Alltag. Daran ändert auch das geplante De- regulierun­gsgesetz, wie kürzlich berichtet, vorerst nur wenig. Die nächste Reise von Burtscher geht daher nach Tallin, wirbt die Hauptstadt von Estland doch mit einer Firmengrün­dung innerhalb von acht Minuten. Die Abläufe dahinter will sich Wonderwerk nun genau ansehen. Mit dabei sind auch Vertreter aus dem Finanzmini­sterium, das ja mit dem digitalen One-Stop-Shop die Unternehme­nsgründung innerhalb von 20 Minuten ermögliche­n möchte.

Gestartet ist Wonderwerk mit zwei Personen, die auch das Gründungsk­apital mitgebrach­t haben. Mittlerwei­le zählt man fünf Mitarbeite­r und bereitet den nächsten Wachstumss­chritt vor. „Mit der von Kanzler Christian Kern (SPÖ) angekündig­ten Lohnnebenk­ostenförde­rung könnten wir sofort zwei oder drei Leute einstellen“, sagt Burtscher. Andernfall­s müsse man langsamer wachsen. Die Bilanz nach einem Jahr ist laut Burtscher zwar schwarz. Viel verdient habe man aber noch nicht. „Da muss man den Gürtel schon auch mal enger schnallen“, fasst der Gründer zusammen.

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Altbekannt­e Dienstleis­tungen neu und digital denken. Das spart Geld und Zeit und kann Abläufe effiziente­r machen.

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