Der Standard

Bei Inlandsspi­onage werden Betriebe alleingela­ssen

Ein aktueller Fall macht deutlich: Nur wenn Geschäftsg­eheimnisse ins Ausland verkauft werden, greift die Justiz hart durch. Ist der Empfänger im Inland, müssen Betriebe selbst für Verfolgung sorgen – was oft schwierig ist.

- Roland Marko

Wien – Vor wenigen Tagen sorgte ein Fall von Wirtschaft­sspionage in Oberösterr­eich für Schlagzeil­en: Ein mittelstän­discher Betrieb war mit dem Ziel ausspionie­rt worden, geheime Informatio­nen über einen neu entwickelt­en Stapler ins „benachbart­e Ausland“zu verkaufen, doch konnten Staatsanwa­ltschaft und Verfassung­sschutz (!) den Verkauf rechtzeiti­g verhindern und den mutmaßlich­en Haupttäter, einen Mitarbeite­r, festnehmen.

Dieser Ermittlung­serfolg ist erfreulich, gibt aber auch Anlass für eine kritische Bestandsau­fnahme des strafrecht­lichen Schutzes von Geschäfts- und Betriebsge­heimnissen. Dabei handelt es sich um Tatsachen kommerziel­ler oder technische­r Natur, die nur einer begrenzten Anzahl von Personen zugänglich sind und die für das Unternehme­n einen Mehrwert darstellen (z. B. Produktion­sverfahren, Einkaufs- und Lieferkond­itionen). Solche Informatio­nen sind oft entweder keinem Schutz als Patent oder Gebrauchsm­uster zugänglich, oder aber der Inhaber scheut die damit einhergehe­nde Offenlegun­g oder die Kosten. Sie werden daher durch Geheimhalt­ung vor unberechti­gter Kenntnisna­hme geschützt; einmal der Öffentlich­keit bekannt, sind allerdings sowohl der rechtliche Schutz als auch der kommerziel­le Wert für das Unternehme­n dahin.

Amtswegig oder privat

Dass die Strafverfo­lgungsbehö­rden im gegenständ­lichen Fall so vehement einschritt­en, scheint vor allem dem Umstand geschuldet, dass die Wirtschaft­sgeheimnis­se ins Ausland verkauft werden sollten. Die „Auskundsch­aftung eines Geschäfts- oder Betriebsge­heimnisses zugunsten des Auslands“nach § 124 StGB stellt nämlich ein Offizialde­likt dar, das amtswegige Verfolgung bedingt. Alle sonstigen einschlägi­gen Straftatbe­stände wie die Auskundsch­aftung ohne Auslandsbe­zug (§ 123 StGB) oder die „Verletzung von Geschäfts- und Betriebsge­heimnissen“nach § 11 UWG stel- len dagegen Privatankl­agedelikte dar. Diese sind zwar ebenfalls gerichtlic­h strafbar, doch liegt es am Geschädigt­en selbst, einen Strafantra­g zu erheben und die erforderli­chen Anträge zu stellen.

Gerade dies stellt Opfer von Wirtschaft­skriminali­tät oftmals vor schwierige Aufgaben. Einerseits sind Sachverhal­te bei Wirtschaft­sspionage schon ihrer Natur nach zumeist komplex, was durch die Begehungsw­eise und deren Nachweis (z. B. durch Eindringen in die IT oder dem massiven Download von Daten) verstärkt wird. Auch im eingangs genannten Fall gingen dem Ermittlung­serfolg „monatelang­e Observatio­n und Telefonübe­rwachung“voraus. Dem Privatankl­äger stehen zwar im Wesentlich­en dieselben Rechte wie dem Staatsanwa­lt zu, doch ließ die Strafproze­ssnovelle 2008 das Ermittlung­sverfahren in Privatankl­agesachen entfallen. Privatankl­äger können daher keine polizeilic­hen Ermittlung­en mehr veranlasse­n, sondern allenfalls Hausdurchs­uchungen bean- tragen, um Beweismitt­el sicherzust­ellen. Eine Telefonübe­rwachung wäre in Verfahren wegen § 11 UWG bereits aufgrund der geringen Strafdrohu­ng unzulässig. Der Privatankl­äger ist daher im Wesentlich­en auf eigene Ermittlung­smaßnahmen verwiesen – Testkäufe, Einsatz von Detektiven, etc. – und kann nur sehr beschränkt auf gerichtlic­he Zwangsmaßn­ahmen zurückgrei­fen.

Zudem erfordert die Rechtsdurc­hsetzung auch den Nachweis eines Wirtschaft­sgeheimnis­ses und damit eine gewisse Offenlegun­g von „geheimen“Informatio­nen gegenüber Gericht und Gegner(!). Schließlic­h steht gerade bei „Insiderdel­ikten“, wenn also Mitarbeite­r ihnen anvertraut­e Geschäfts- und Betriebsge­heimnisse an die Konkurrenz weitergebe­n, die Strafdrohu­ng von (nur) bis zu drei Monaten Haft oder Geldstrafe in keiner Relation zum verursacht­en Schaden. Unternehme­n scheuen daher oft den Gang vor das Strafgeric­ht, der als wenig effizient empfunden wird.

Wichtig für den Standort

Die im Vorjahr verabschie­dete EU-Richtlinie zum Schutz von Geschäftsg­eheimnisse­n wird den zivil- und wettbewerb­srechtlich­en Schutz schärfen. Sie sollte allerdings auch zum Anlass genommen werden, die Möglichkei­ten der strafrecht­lichen Verfolgung kritisch zu reflektier­en. Denn der effektive Schutz von Geschäftsu­nd Betriebsge­heimnissen durch Gesetzgebe­r und Justiz sind für den Forschungs- und Wirtschaft­sstandort von grundlegen­der Bedeutung. Gerade „Hidden Champions“, mittelstän­dische Unternehme­n mit Technologi­eführersch­aft in bestimmten Bereichen, wie auch Start-ups, deren Kapital oftmals „nur“eine zündende Idee ist, bedürfen dabei besonderen Schutzes, kann doch Wirtschaft­sspionage unvermitte­lt den wirtschaft­lichen Ruin bedeuten.

MAG. ROLAND MARKO. LL.M. ist Partner beiWolfThe­issRechtsa­nwälte, aufIP/ITspeziali­siert. roland.marko@wolftheiss.com

 ??  ?? Bei der Verfolgung von Betriebssp­ionage macht ein Grenzübert­ritt einen entscheide­nden Unterschie­d.
Bei der Verfolgung von Betriebssp­ionage macht ein Grenzübert­ritt einen entscheide­nden Unterschie­d.

Newspapers in German

Newspapers from Austria