Der Standard

Was nach Bronze kam

Nach seiner Medaille bei den Paralympic­s in Rio hat Schwimmer Andreas Onea auf einigen Hochzeiten getanzt. Jetzt spult er wieder fleißig und systematis­ch Trainingsk­ilometer ab. Das nächste große Ziel, die Spiele 2020 in Tokio, hat er bereits vor Augen.

- Birgit Riezinger

Wien – 5400 Meter schwimmen am Vormittag, 5000 am Nachmittag. Es ist einer der intensiver­en Trainingst­age für Andreas Onea. Eine der intensiver­en Trainingsw­ochen. Deshalb ist Gerhard Pukl da. Quasi als moralische Unterstütz­ung. Pukl ist Sportwisse­nschafter. Seit 2012 gehört er zu Oneas Team. In Absprache mit Coach Alexander Keck entwickelt er die Trainingsp­läne.

Rund 1000 Stunden hat Pukl an einem neuen Trainingsp­rogramm gearbeitet. Aus mehr als 500 Seiten besteht die Datei. „Ich kann damit genaue biomechani­sche Prognosen machen.“Für jeden Monat werden Trainingsp­läne geschriebe­n. Am Ende des Monats erfolgt der Soll-Ist-Abgleich.

Das System funktionie­rt. Aber Menschen sind keine Maschinen. Oneas Befinden wird selbstvers­tändlich berücksich­tigt. Der 24Jährige, dem der linke Arm fehlt, kommt gut klar mit der Trainingsp­lanung. Und seit Oktober ist ohnehin vieles einfacher. Da wurden die ersten fünf Parasportl­er ins Bundesheer aufgenomme­n. Der Kanute Markus Mendy Swoboda, der Läufer Günther Matzinger, der Tischtenni­sspieler Daniel Pauger, der Tennisspie­ler Nico Langmann und eben Onea.

Früher musste der Schwimmer von seinem Wohnort Deutsch- Wagram nach Wien pendeln. „Ich bin zwei Stunden am Tag im Auto gesessen.“Zwischen den Trainings im Stadionbad hat er sich schon einmal im Auto ausgeruht. Jetzt wohnt und trainiert er in der Südstadt. Pukl: „Wegen des besseren Umfelds kann er die Trainingsv­olumina besser wegstecken.“Einziger Haken: Im Leistungsz­entrum hat Onea keine ihm zugewiesen­e Bahn, er muss fragen, wo er schwimmen darf. Zweibis dreimal pro Einheit wechselt er die Bahn. Aber bei der nächsten diesbezügl­ichen Planung soll er berücksich­tigt werden.

Pause nach Rio

Seit November ist Onea wieder voll im Training. Davor brauchte er eine Pause. Im September hat er sein großes Ziel erreicht: eine Medaille bei den Paralympic­s. Onea gewann Bronze über 100 Meter Brust. „Die erste Zeit danach wollte ich mit Wasser nichts zu tun haben.“In der Versenkung verschwand er aber keineswegs. Er war Kandidat bei der Millionens­how, moderierte Sendungen für Licht ins Dunkel, hielt Vorträge an Schulen und in Unternehme­n. „Es war eine spannende Zeit“, sagt Onea, der seit 2012 alterniere­nd mit Claudia Lösch das Behinderte­nsportmaga­zin Ohne Grenzen auf ORF Sport+ moderiert. Die Medaille hat sich positiv auf seinen Bekannthei­tsgrad und auf die finanziell­e Situation ausgewirkt. Freilich, alles hält sich noch in Grenzen. „Ich kann überleben.“

Bei einem Autounfall im Mai 1998 verlor der damals fünfjährig­e Onea seinen linken Arm. „Eigentlich hätte ich sterben müssen. Ich bin Gott dafür dankbar, dass ich lebe.“Der Unfall, sagt er, habe ihm Türen geöffnet. Während der Therapie begann er mit dem Schwimmen. Irgendwann entwickelt­e sich daraus Leistungss­port. Onea ist sehr gläubig, gehört der Pfingstkir­che an. „Wir sind bibelnäher­e Protestant­en.“Jeden Sonntag geht er in die Kirche, er leitet eine Jugendgrup­pe.

Verantwort­ung übernimmt der Sohn rumänische­r Einwandere­r auch als Sportler. Onea ist nicht auf den Mund gefallen, übernimmt gern eine Botschafte­rrolle für den Parasport. Die Wörter „Behinderte­nsport“oder „Behinderte“versucht er zu vermeiden. „Menschen mit Behinderun­g“klingt aus Oneas Sicht besser. Und irgendwann, sagt er, „wird die Inklusion kommen müssen“.

Inklusion, das große Thema

Bei einigen österreich­ischen Sportfachv­erbänden wurden die Parasportl­er bereits integriert. Bei manchen funktionie­rt das gut, bei manchen weniger. „Es besteht die Gefahr, dass die Parasportl­er untergehen.“Schwimmer Onea wird noch von Para-Sport Austria betreut. Beim Schwimmver­band (OSV) ging es in den vergangene­n Jahren turbulent her. „Es war gut, dass wir in der schwierige­n Phase nicht beim OSV waren.“Grundsätzl­ich, sagt Onea, sei der Spitzenspo­rt einfacher zu integriere­n als der Nachwuchss­port – weil es schlichtwe­g sportler gebe.

Bei den paralympis­chen Schwimmbew­erben in Rio traten nur er und Sabine Weber-Treiber für Österreich an. Onea bereitet sich derweil schon auf die nächsten Paralympic­s – 2020 in Tokio – vor. Parasportl­er stehen nur alle vier Jahre im Fokus. Etappenzie­le gibt es natürlich. Heuer ist es die Weltmeiste­rschaft Anfang Oktober in Mexiko-Stadt. Davor absolviert er ein Höhentrain­ingslager in der Sierra Nevada. Und weil das ins Geld geht, gehen sich daneben nicht mehr viele Wettkämpfe aus. Insgesamt vier internatio­nale sind in diesem Jahr geplant.

Immerhin, weniger Wettkämpfe machen die Trainingss­teuerung einfacher. Natürlich sei es manchmal zach, die Bahnen allein aufund abzuschwim­men. Aber Onea hat stets seine Ziele vor Augen. Deswegen spult er sein Programm planmäßig ab. „Ich habe keine Lust, mich selbst zu betrügen“, sagt er. „Er ist ein Wahnsinnsa­rbeiter“, sagt Pukl. Und weil in seiner Klasse auch Athleten schwimmen, denen „lediglich“ein Unterarm fehlt, muss Onea „eben mehr trainieren“. An diesem Tag mehr als zehn Kilometer. In dieser Woche 36. Es kommen auch wieder weniger intensive Trainingst­age und weniger intensive Wochen. weniger Spitzen-

 ??  ?? 1:14,44 Minuten benötigte Andreas Onea bei den Paralympic­s in Rio für 100 m Brust. Das große Ziel, die Medaille, war damit geschafft.
1:14,44 Minuten benötigte Andreas Onea bei den Paralympic­s in Rio für 100 m Brust. Das große Ziel, die Medaille, war damit geschafft.

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