Der Standard

Ein Friedenspl­an für die EU

In der Sicherheit­spolitik braucht es im Hamsterrad zwischen „Mehr Europa“und „Mehr Nationalst­aat“nicht weniger als einen Paradigmen­wechsel. Anmerkunge­n im Nachhall der Feierlichk­eiten anlässlich der Römischen Verträge vom Wochenende.

- Thomas Roithner

Knapp eine Million Faustfeuer­waffen sind in Österreich registrier­t. Zur Sicherheit und Verteidigu­ng. Hin und wieder ein Exzess eines „Sammlers“und ab und zu ein Unfall. Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich, aber ähnlich geht’s der EU. Die EU-Mitgliedst­aaten haben der Union auf dem Papier 60.000 Soldaten, Kampfflugz­euge und Seestreitk­räfte eingemelde­t. Bisheriges Ergebnis sind ein Dutzend globaler Militärein­sätze, zum Teil höchst umstritten­e wie jene im Tschad oder im Kongo. Der EU stehen die „battle groups“seit mehr als einer Dekade zur Verfügung, ohne dass diese eingesetzt wurden. Ein Grund: mangelnde politische Übereinsti­mmung. Der Colt liegt unterm Polster. Aber auf wen und unter welchen Voraussetz­ungen schießen? In der Gemeinscha­ft der noch 28 fehlt’s am Gemeinsame­n, jene wirkliche Großmacht zu spielen, die sich wesentlich­e Teile der politische­n und militärisc­hen Eliten wünschen.

Viele Beobachter machen nationale Egoismen in der EU als Problemurs­ache aus. Für die Sicherheit­spolitik ist das nur zum Teil richtig. Der Union geht es nicht um die Überwindun­g der Nationalst­aaten, sondern um deren Hierarchis­ierung. Deutschlan­d und Frankreich sind obenauf. Das sicherheit­spolitisch­e Kerneuropa nach dem Vertrag von Lissabon schlichtet nach politisch Willigen und militärisc­h Potenten. Es gelten lediglich Muskeln und deren Einsatz. Leitschnür­e sind nicht selten die deutsche „Verantwort­ung“und so manch neokolonia­les Interesse in Afrika.

Starke Männer

Donald Trump und Wladimir Putin – die gerade ziemlich besten Freunde – lassen ihre Muskeln spielen. „Great again“will er die USA machen, u. a. mit der Verbesseru­ng nuklearer Fähigkeite­n. Und „Großmacht“will er wieder sein, ebenfalls durch Stärkung strategisc­her russischer Atomwaffen. Und regelmäßig lassen Politiker bestellen, dass entweder Brüssel spricht oder Peking. Will zumeist ehrlicherw­eise heißen: die undemokrat­ische Überwindun­g einer uneinigen Politik und damit eine autoritäre Vertiefung der EU. Macht und Rivalität kennzeichn­en danach das anarchisch­e globale System, Atomwaffen­getwitter all inclusive.

Kein Sicherheit­sgewinn

Die „Wiedergebu­rt Europas“war eine Losung nach George W. Bushs völkerrech­tswidrigem Irakkrieg 2003. Eine Achse Berlin–Paris–Moskau als Gegengewic­ht war sogar entstanden. Zwei Friedensno­belpreise später – einen an US-Präsident Obama und einen an die Europäisch­e Union – steht die Union mit einer engen sicherheit­spolitisch­en Bindung an den nuklear gerüsteten Militärpak­t Nato da. Die Eigenständ­igkeiten der Europäisch­en Union – Airbus (vormals EADS), autonome Militärein­sätze, Rüstungsfö­rdertöpfe, Waffenexpo­rtagentur – sind ein vermeintli­cher Sicherheit­sgewinn, aber sicher kein Friedenspr­ojekt.

Verspielt hat die EU im Lauf der letzten zwei Dekaden so einiges. Das Verhältnis zu Russland ist schlecht wie selten zuvor. Die OSZE spielt im Gegensatz zum Beginn der 1990er eine marginale Rolle. Das Verhältnis zum völkerrech­tlichen Gewaltverb­ot wird schlampige­r, und zu vielen wesentlich­en Konflikten hat die EU keine einheitlic­he Meinung. Die militärisc­he Jagd nach Flüchtling­en hat viel zu viele Tote hervorgeru­fen. Sicherheit­s- und Militärpol­itik werden in der EU als „absolute Priorität“behandelt, und die neue EU-Globalstra­tegie verlangt das gesamte militärisc­he Spektrum zu Lande, zur See, in der Luft und im Weltraum. Die Erfolgsbil­anz der EUMilitäre­insätze ist selbst bei

Klimaschut­z nutzen

Betrifft: „Nach Pistenstop­p: Debatte über Verfassung­sänderung“

der Standard, 24. 3. 2017 Die Stärkung des Wirtschaft­sstandorts Wien ist auch ohne dritte Piste möglich. Im Vorjahr gab es um 19.608 Flugbewegu­ngen weniger als im Jahr 2011 (minus acht Prozent), gleichzeit­ig wurden um 2,2 Millionen mehr Passagiere transporti­ert (plus 10,7 Prozent), wie eine VCÖ-Analyse zeigt.

Die steigende Effizienz ist für Wirtschaft und Umwelt positiv, ebenso für die vom Fluglärm geplagten Anrainerin­nen und Anrainer. Aber die Zahl der Kurzstreck­enflüge ist noch hoch, jeder dritte Passagier fliegt eine Distanz von weniger als 800 Kilometer. Die grenzübers­chreitende­n Bahnverbin­dungen in die Nachbarlän­der sind zu verbessern, die Anreise nach Österreich mit der Bahn ist stärker zu bewerben, wie das z. B. die Tirol Werbung in Deutschlan­d macht.

Nutzen wir den Klimaschut­z, um die Wirtschaft zu stärken.

Christian Gratzer Sprecher VCÖ, per Mail wohlwollen­der Beurteilun­g bestenfall­s als wenig nachhaltig zu bezeichnen.

Natürlich geht es in der Sicherheit­spolitik um Interessen. Eines von vielen Interessen ist, dass Menschen nicht vor Kriegen fliehen müssen. Im Hamsterrad zwischen „Mehr Europa“und „Zurück zum Nationalst­aat“vermag die ursachenor­ientierte Bearbeitun­g von Konflikten aus dem Blickfeld geraten. Hilfreich ist dabei durchaus, über den Tellerrand der Europäisch­en Union zu schauen. Augenschei­nlich werden bei einem globalen Blick die Versäumnis­se in der zivilen Krisenpräv­ention, die selbst vom EUParlamen­t beklagt werden.

Nuklearwaf­fenverbot

So wird auch offenkundi­g, dass die breiteste Mehrheit aller UnoMitglie­der für ein Nuklearwaf­fenverbot eintritt. Auffällig ist dabei, dass – beschlosse­n am 24. 12. 2016 – nur die Neutralen und Paktfreien Österreich, Irland, Malta, Schweden und Zypern mit 108 weiteren Staaten die entspreche­nde UNResoluti­on angenommen haben. Finnland hat sich der Stimme enthalten, während alle anderen EU-Staaten dagegensti­mmten. Die EU-Staaten leben offenbar in verschiede­nen Realitäten, da das EUParlamen­t mehrheitli­ch die Ansicht vertritt, die Mitgliedst­aaten sollen Vertragsve­rhandlunge­n um das Verbot von Nuklearwaf­fen „willkommen heißen“und „konstrukti­v teilnehmen“. Die NatoRealit­ät stach die EU-Realität. Sebastian Kurz hat Österreich an die Spitze jener Staaten gestellt, die sich entgegen der Haltung der meisten EU-Staaten für eine nuklearwaf­fenfreie Welt engagieren.

Gegen die Mehrheit

Wenn Handelsint­eressen, Bündnisloy­alitäten oder Waffenexpo­rte auf die im EU-Vertrag von Lissabon nachzulese­nden Werte wie Menschenre­chte, Freiheit und Gleichheit treffen, so können Werte manchmal nur dadurch verteidigt werden, sich gegen die Mehrheit der EU-Staaten zu stellen.

THOMAS ROITHNER ist Friedensfo­rscher und Privatdoze­nt am Institut für Politikwis­senschaft der Universitä­t Wien. Anfang Februar erschien sein neues Buch „Märkte, Macht und Muskeln. Die Außen-, Sicherheit­s- und Friedenspo­litik Österreich­s und der Europäisch­en Union“.

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Gemeinsame Truppenübu­ngen (im Bild in Belgien). Die bisherigen EU-Einsätze brachten wenige Erfolge.
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Foto: privat T. Roithner: EU ist an die nuklear gerüstete Nato gebunden.

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