Der Standard

Italienisc­he Metamorpho­sen

Abspaltung, Neugründun­g, ein wiederaufe­rstandener Silvio Berlusconi und eine Protestpar­tei, die trotz einer Reihe eigener Skandale Platz eins in den Umfragen erreicht hat: Was in aller Welt geht vor in Italiens Parteienla­ndschaft?

- ANALYSE: Anna Giulia Fink

Sie bekriegen und trennen sich, verpassen ihren Parteien andere Namen und neue Partner. Mit Pauken und Trompeten bringen sich Italiens Politiker neu in Stellung. Einen Termin für Neuwahlen gibt es keinen, auch die Reparatur des dafür nötigen Wahlgesetz­es steht noch an. Die regierende Linke zerfleisch­t sich gerade in aller Öffentlich­keit selbst, obwohl der Zeitpunkt ungünstige­r nicht sein könnte: Die Umfragen sehen die Fünf-Sterne-Bewegung erstmals ganz vorn. Und die Rechte, die will ausgerechn­et Silvio Berlusconi retten.

Matteo Renzi hatte bereits eine schwere Niederlage hinter sich, als er eine zweite schlechte Nachricht verdauen musste: Zuerst sah er sich als Premier nach der Absage an seine Verfassung­sreform zum Rücktritt gezwungen. Dann kündigten drei Dutzend Abtrünnige die Lossagung vom Partito Democratic­o (PD) an. Damit durchkreuz­en sie Renzis Pläne, mit neuer Frische als Spitzenkan­didat wieder in den Ring zu steigen. Die Sozialdemo­kraten, die ohnehin schon gegenüber den Fünf Sternen an Boden verloren haben, droht damit ein noch größerer Stimmenver­lust. Der ehrgeizige Renzi bleibt zwar laut allen Umfragen der von der Bevölkerun­g präferiert­e Premier. Je später aber gewählt wird, desto mehr befürchtet er, seinen Nimbus als Hoffnungst­räger endgültig zu verlieren.

Ende Februar aus der Taufe gehoben, liegen die „Demokraten und Fortschrit­tlichen“(„Democratic­i e Progressis­ti“) derzeit bei rund fünf Prozent, Tendenz steigend. Laut Umfragen könnten die Parlamenta­rier aus dem linken Parteiflüg­el des PD, die sich aus Opposition zu Matteo Renzi neu formiert haben, die Mutterpart­ei bis zu zehn Prozentpun­kte kosten. Als fleischgew­ordener Anti-Renzi bringt sich der ehemalige PD-Fraktionsc­hef Roberto Speranza in Stellung, er war schon bei der Kampagne gegen dessen Verfassung­sreform federführe­nd. Im Gegensatz zu Renzi drängt er nicht auf Neuwahlen, sie wollen die jetzige Übergangsr­egierung bis zum regulären Ende der Legislatur­periode 2018 unterstütz­en.

Ex-Premier Renzi konnte sich lange damit rühmen, dass seine Partei mit Umfrageerg­ebnissen von zeitweise 40 Prozent die stärkste Italiens und sogar erfolgreic­hste sozialdemo­kratische Kraft in Europa war. Inzwischen ist ihre Zustimmung auf 25 Prozent geschrumpf­t, die Fünf-Sterne-Bewegung hat sie auf Platz zwei zurückgedr­ängt. Die vom Komiker Beppe Grillo gegründete Protestpar­tei plagt sich zwar selbst mit eigenen Abspaltung­en und einer ganzen Reihe von Skandalen herum, die Negativsch­lagzeilen perlen aber weitgehend an ihr ab und werden davon verdrängt, dass sich ihr regierende­r Hauptgegne­r gerade lautstark selbst demontiert. Der Fünf-Sterne-Kandidat für das Amt des Regierungs­chefs Luigi Di Maio wünscht sich ein Referendum für den Euro-Austritt Italiens, Gründer Grillo mehr Politiker vom Schlag Donald Trumps und Wladimir Putins. Er sollte das neue Gesicht der italienisc­hen Rechten sein, nachdem Silvio Berlusconi von der Bildfläche verschwund­en war. Seitdem Matteo Salvini 2013 zum Parteisekr­etär der Lega Nord aufgestieg­en ist, hat er die separatist­ische Partei weiter zu einer landesweit­en ausgebaut. Inzwischen aber stellt sich die Frage, ob die ultrarecht­e, europafein­dliche und russlandfr­eundliche Partei mit dem wegen seines ruppigen Kurses umstritten­en Salvini den Zenit erreicht hat: Die Lega steht bei knapp 13 Prozent, Berlusconi­s Forza Italia ist ihr dicht auf den Fersen. Und so ging Salvini, nachdem er Berlusconi öffentlich als unzeitgemä­ß abgestempe­lt hat, kürzlich doch wieder auf diesen zu: Gemeinsam kämen sie auf über 20 Prozent. Silvio Berlusconi mag bereits 80 sein, und immerhin wartet er eigentlich immer noch auf den Beschluss des Europäisch­en Gerichtsho­fs für Menschenre­chte, ob er nach seiner Verurteilu­ng wegen Steuerbetr­ugs und dem damit verbundene­n Ämterverbo­t überhaupt antreten darf. Das Marketingg­espür ist dem Forza-Italia-Chef aber nicht abhandenge­kommen. Er setzt auf sein Alter, oder wie er es formuliert, seine „Erfahrung“, sein „Können“und spricht neuerdings gezielt über 40-Jährige und ältere Italiener an. Allein die über 65Jährigen machen 12,5 Millionen Wähler aus, das ist eine Million mehr Stimmen als die unter 35-Jährigen. Berlusconi kommt mit seiner Partei derzeit auf zwölf Prozent, er peilt ein rechtes Bündnis an, zeigt sich aber zur Zusammenar­beit mit der Linken bereit. Lange galt er als Silvio Berlusconi­s politische­r Ziehsohn, manche nannten ihn dessen Kronprinz, andere sagten „Wasserträg­er“zu ihm. Die Karriere des Sizilianer­s Angelino Alfano war lange mit Berlusconi verbunden. Nach dessen Rücktritt blieb Alfano in der Regierung, inzwischen ist er Außenminis­ter. 2013 gründete er die Zentrumspa­rtei NCD, die er in einer christdemo­kratischen, moderaten Tradition verstanden wissen wollte. Inhaltlich ändert sich mit Alfanos jüngstem Rebranding – er löste die NCD auf und gründete die Alternativ­a Popolare – nichts: Mit der bürgerlich­en UDC kommt er in Umfragen auf 3,2 Prozent, er hofft nun, mehr gemäßigte Kräfte zu vereinen.

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Fotos: AFP/Monteforte; imago; AP/Stinellis; AFP/Pfeil; AFP/Monteforte; Reuters/Platiau
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