Der Standard

Grüne: Kritik an Parteispit­ze nach Rauswurf der Jugend

Nach dem Rauswurf ihrer Jugendtrup­pe will bei den Grünen noch immer keine Ruhe einkehren. Intern regt sich erste Kritik an der Führungssp­itze – ihr kompromiss­loser Konfrontat­ionskurs habe die Lage für die ganze Partei verschlimm­ert.

- Katharina Mittelstae­dt, Walter Müller, Nina Weißenstei­ner

Wien – Nachdem die Grünen am Donnerstag ihre eigene Parteijuge­nd ausgeschlo­ssen haben, setzt es nun Kritik aus den eigenen Reihen. „Es ist mir völlig unverständ­lich, wie die Situation so eskalieren konnte“, sagt der Nationalra­tsabgeordn­ete Karl Öllinger im Gespräch mit dem STANDARD. „Es handelt sich um ein Scheitern der Partei, aber auch der Jugend.“

Grüne in den Bundesländ­ern sehen den Rausschmis­s ähnlich skeptisch: „Eigentlich ist in der Partei niemand glücklich über diese Scheidung“, sagt der Kärntner Landesrat Rolf Holub. Die Jungen Grünen bezeichnen die Führungssp­itze als „autoritär“. Am Montag wird ihnen der Status als Jugendorga­nisation aberkannt. (red)

Wien – Dann ging es doch ganz schnell, dass die Kinder aus dem Haus waren – doch Ruhe will bei den Grünen noch immer nicht einkehren. Weil die Mutterpart­ei die grüne Jugend am Donnerstag rausgeschm­issen hat, regt sich intern nun offene Kritik: „Ich bin sehr unglücklic­h, wie das gelaufen ist“, sagt Karl Öllinger, Nationalra­tsabgeordn­eter und Grüner der ersten Stunde. „Es ist mir völlig unverständ­lich, wie die Situation so eskalieren konnte.“Sein Fazit: „Es handelt sich um ein Scheitern der Partei, aber auch der Jugend.“

Nicht alle gestandene­n Grünen äußern sich dieser Tage so offen wie Öllinger. Doch im Parlaments­klub gärt es, erzählt man, weil die Bundesspit­ze den Streit wochenlang brodeln gelassen habe, anstatt rechtzeiti­g zu kalmieren. Von einem „unnötigen Theater auf Facebook“ist da die Rede – und dass sich Michel Reimon, erst seit kurzem Mitglied im Bundesvors­tand, als „Zündler“betätigt habe. Eine Anspielung darauf, dass Reimon die aufmüpfige Flora Petrik, Chefin der Jungen Grünen, öffentlich in einem ellenlange­n Posting zurechtgew­iesen hat. Obwohl viele Abgeordnet­e derzeit hervorrage­nde Arbeit leisten, heißt es, müsse man sich nun mit dem „Scherbenha­ufen herumschla­gen“, was einer „öffentlich­en Selbstentw­ertung“gleichkomm­e.

Ungeschrie­bene Gesetze

Der Tiroler Georg Willi hingegen nimmt die Parteispit­ze für ihr rigoroses Vorgehen zur Beendigung des Konflikts in Schutz. Immer wieder habe Eva Glawischni­gs Stellvertr­eterin Ingrid Felipe, Vizelandes­hauptfrau von Tirol, hinter den Kulissen versucht, auf Petrik & Co einzuwirke­n, so Willi. Doch mit mäßigem Erfolg.

Ganze zwei Stunden habe dann das Abschiedsg­espräch am Donnerstag­abend zwischen der grünen Chefin und ihrer jungen Kontrahent­in gedauert. Wie Petrik be- tont: das erste Treffen der Jungen Grünen mit Glawischni­g, seit sich der Nachwuchs vor sieben Jahren organisier­t hat.

Petriks Truppe berichtet über die letzte und einzige Aussprache, dass die Bundespart­ei „völlig kompromiss­los“jedes „Versöhnung­sangebot“ausgeschla­gen habe. Abgeordnet­er Willi hält hier dagegen, dass Petrik sich eben bis zuletzt nicht an ein ehernes grünes Gesetz halten wollte, das seit dem einst mühsam errungenen Zusammensc­hluss der konservati­ven „Vereinten Grünen Österreich­s“mit der progressiv­eren „Alternativ­en Liste Österreich­s“1986 gelte: Nämlich dass „Grüne niemals gegen Grüne antreten“sollen. Denn: „Sonst verlieren dabei alle – und wir fallen zurück in die Zeiten vor dreißig Jahren.“

Hintergrun­d: Petrik ließ sich nicht beirren, eine Gruppe grüner Studenten zu unterstütz­en, die an den Universitä­ten in Linz und Graz neben der etablierte­n grünen Liste Gras bei den ÖH-Wahlen Mitte Mai antreten wollen.

Keine Lösungskom­petenz

Auch in den Bundesländ­ern wird der Rauswurf der Bundesjuge­nd skeptisch gesehen. Der Kärntner Landesrat Rolf Holub sagt: „Eigentlich ist in der Partei niemand glücklich über diese Scheidung.“Und er betont: „Wir haben im Bundesland jedenfalls kein Problem mit den Jungen.“

Der Tiroler Landesspre­cher Hubert Weiler-Auer hält für seine Landesorga­nisation fest: Die Sache mit der Parteijuge­nd sei ihnen eine „Herzensang­elegenheit, bis in die letzte Faser“. Daher seien die Jungen Grünen im Bundesland weiterhin „willkommen – und wir werden immer einen Platz für sie haben“. Dass die Situation auf Bundeseben­e dermaßen aus dem Ruder gelaufen sei, „sehen wir mit Bedauern“, betont auch WeilerAuer – und er merkt an: Die Jugend habe doch das Vorrecht, manche Dinge anders zu sehen.

Nicht nur im Parlament in Wien, auch in den Ländern wird die „Konfliktlö­sungskompe­tenz“der Bundesspit­ze angezweife­lt. Außerdem gibt man zu bedenken, dass die Jungen zu einer der wichtigste­n Zielgruppe der Grünen zählen. Dazu ein Landes-Grüner im Off: Die Vorgangswe­ise war daher „ziemlich kontraprod­uktiv“.

Gefährlich­e Finanzlage

Die Jungen Grünen selbst sind „schockiert“über das Vorgehen der „autoritäre­n“Mutterpart­ei. Am Montag wird ihnen der Status als offizielle Jugendorga­nisation der Grünen aberkannt, „womit uns auch der Geldhahn zugedreht wird“, sagt Petrik. Als Sprecherin des Verbandes hafte sie persönlich, ist sie überzeugt. Es gehe um 160.000 Euro an Fördergeld­ern, mit denen die Organisati­on für das nächste Jahr gerechnet hatte, die sie nun aber doch nicht erhält. Mit der Bundespart­ei gebe es noch keine schriftlic­he Vereinbaru­ng, weitere Gespräche stünden aus. „Ich nehme aber nicht an, dass man so bösartig ist, mich darauf jetzt allein sitzen zu lassen“, sagt Petrik.

Anders als Petrik will von den mit Mandaten und Funktionen versorgten Grünen in Bund und Ländern derzeit niemand laut an Glawischni­g als Chefin rütteln. Der Tiroler Weiler-Auer meint nur: „Wir werden die nächsten Wahlen mit ihr schlagen.“Wenn die Grünen aber nicht reüssieren, „dann sehen wir weiter“.

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Die jungen Parteirebe­llen sind kaltgestel­lt, doch nun gibt es heiße Diskussion­en in den eigenen Reihen: Die grüne Spitze rund um Eva Glawischni­g habe beim Konfliktma­nagement versagt, heißt es.

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