Flynns Flucht nach vorn
Die Affäre um die Russland-Kontakte der Trump-Regierung ist um eine Volte reicher: Michael Flynn, der wegen seiner Verbindungen nach Moskau zurückgetretene Sicherheitsberater, bot sich nun als Kronzeuge an.
Als Michael Flynn nach nur 24 Tagen im Amt zurücktrat, glaubte Donald Trump seinen Kritikern den Wind aus den Segeln genommen zu haben. Weil der Präsident in der alles überschattenden Affäre um dubiose Kontakte nach Russland einen Befreiungsschlag brauchte, musste sein Sicherheitsberater gehen. Gut sechs Wochen später ist Flynn mit einem Paukenschlag zurückgekehrt auf die Bühne der großen Politik.
Der ehemalige Dreisternegeneral, der seinerzeit über ein Telefonat mit dem russischen Botschafter in Washington stolperte, ist bereit auszusagen. Er will mit den Ausschüssen von Senat und Repräsentantenhaus kooperieren, die sich seit Wochen der RusslandConnection widmen, vorausgesetzt, er bleibt von Strafverfolgung verschont. „General Flynn hat gewiss eine Geschichte zu erzählen, und er will sie auch gern erzählen, wenn es die Umstände zulassen“, schrieb sein Anwalt in einer Erklärung. Keine vernunftbegabte Person würde sich „im Umfeld einer Hexenjagd“Fragen stellen, ohne Garantien gegen unfaire strafrechtliche Verfolgung zu erhalten.
Dass Flynn um Immunität bittet, reicht schon aus, um es in der Gerüchteküche kräftig brodeln zu lassen. In aller Regel wird das Privileg nur dann gewährt, wenn Ermittler die Informationen eines Zeugen einerseits für überaus wichtig halten und andererseits glauben, den Zeugen nur dann zu Aussagen zu bringen, wenn er weiß, dass er dafür nicht büßen muss. Rechtsexperten ziehen daraus den Schluss, dass Flynn sich tatsächlich strafbar gemacht haben könnte, als er praktisch konterkarierte, was das Kabinett Barack Obamas an Sanktionen gegen Moskau beschlossen hatte.
Rücktritt im Februar
Zumal der angriffslustige ExGeneral im September, als es um die eventuelle Strafverfolgung von Beratern Hillary Clintons ging, einen Satz sagte, an den ihn nun jeder erinnert: „Wenn du auf Immunität aus bist, hast du wahrscheinlich ein Verbrechen begangen.“Im Februar musste der 58Jährige, einst Chef des amerikanischen Militärgeheimdienstes, seinen Hut nehmen, nach der offiziellen Version, weil er über Gespräche mit dem russischen Botschafter nicht die Wahrheit gesagt hatte. Flynn bestritt zunächst, mit Sergej Kisljak über die Aufhebung von Sanktionen, nach Weihnachten verhängt von der Regierung Obama, geredet zu haben. Als ein Mitschnitt des Telefonats publik wurde, stand er als Lügner da. Inzwischen weiß man auch, dass ihm drei russische Unternehmen, darunter der staatsnahe Sender RT, für Redeauftritte mehrere Zehntausend Dollar zahlten, kurz bevor er als außenpolitischer Stratege ins Team des Kandidaten Trump einstieg.
Der Wirbel um Flynn ist das neueste Kapitel einer Saga, die sich noch über Monate hinziehen dürfte. Während es die US-Geheimdienste für erwiesen halten, dass der Kreml mit Cyberattacken und erfundenen Nachrichten versuchte, die Wahl zugunsten Trumps zu beeinflussen, spricht der Wahlsieger von billigen Ausreden der unterlegenen Demokraten. Im Zentrum steht die Frage: Haben sich Vertraute des Milliardärs mit Moskau abgesprochen in dem Versuch, der Kontrahentin Clinton zu schaden?
Der Verdacht ist begründet, die Namen sind bekannt: Paul Manafort, Roger Stone und Carter Page. Manafort, bis Sommer 2016 Trumps Wahlkampfmanager, arbeitete als Lobbyist für den ukrainischen Ex-Präsidenten Wiktor Janukowitsch, während ihm der Putin-nahe Oligarch Oleg Deripaska für seine Dienste zehn Millionen Dollar gezahlt haben soll. Roger Stone, ein Experte für Schlammschlachten, der bereits Richard Nixon diente, hatte offenbar Kontakt zum Hacker Guccifer 2.0, der die Computer der demokratischen Parteizentrale geknackt und Wikileaks brisante E-Mails zugespielt haben soll.
Carter Page, ein auf den Energiesektor spezialisierter Investmentbanker, flog ausgerechnet im Juli nach Moskau, in dem Monat, in dem Demokraten wie Republikaner ihre Bewerber fürs Weiße Haus kürten. War es Zufall oder nicht? Flynn könnte erheblich dazu beitragen, Licht ins Dunkel zu bringen.