„Wir sind gekommen, um zu bleiben“
Starke Frauen (IV): Ein Gespräch im Wiener Frauenschachklub. Von ruf & ehn
Seit 2013 gibt es im Café Schopenhauer den Wiener Frauenschachklub – den am längsten bestehenden Frauenschachklub in Österreich, und wohl auch Europas –, und zwar sehr erfolgreich. Grund für ein Gespräch mit den beiden Leiterinnen, Dagmar Jenner und Karoline Spalt.
Standard: Warum ein Schachklub für Frauen im 21. Jahrhundert? Dagmar Jenner (DJ): Wir haben den Eindruck, dass sich Frauen in einem klassischen Schachumfeld, das sehr männerdominiert ist, nicht so wohlfühlen. Dass wir den Zugang niederschwelliger gestalten können, dass die Frauen, die noch nicht so gut spielen, viel eher hierherkommen, und auch Frauen voneinander lernen sollen. Also: Frauensolidarität gerade im 21. Jahrhundert. Karoline Spalt (KS): Anfangs hatten wir eher Frauen mit geringer Spielstärke, aber das hat sich mittlerweile sehr verändert. Ich denke, der Frauenschachklub ist bunt durchmischt, also quasi von der Anfängerin bis zur ehemaligen Staatsmeisterin.
Standard: Fasziniert Frauen am Schach etwas anderes als Männer? DJ: Für mich schwer zu beurteilen, also ich kann nur für mich sprechen. Ich finde, dass Schach einfach zeitlos schön ist, und diese Komplexität hat eine Schönheit, die man letztlich nie ganz ergründen kann. Das ist etwas sehr Seltenes. Als Dolmetscherin bin ich gewöhnt, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun. Beim Schach geht das nicht, wenn ich Schach spiele, gibt’s nur Schach. Keine To-do-Liste, nichts. Nichts anderes hat Platz im Kopf als Schach. KS: Also das ist eigentlich etwas sehr Egoistisches, weil es ein großes Zurückziehen von der Welt ist. Ich bin nach Partien so erledigt und so erschöpft wie sonst nirgends. Wenn man das ein paar Mal genossen hat, will man das immer wieder.
Standard: Gibt es einen Zeitpunkt, an dem die Mission des Frauenschachklubs erfüllt wäre? KS: Erfüllt im Sinn, dass er nicht mehr gebraucht würde? Ich glaube, wenn der Frauenanteil in den anderen Schachklubs viel, viel höher wäre. Der Schachklub Ottakring arbeitet daran in Kooperation mit uns, der Leiter hat schon gemerkt, dass ein höherer Frauenanteil auch der Atmosphäre im Klub sehr guttut. Und ich glaube, dann ist das nicht mehr nötig. DJ: Wobei unser Klub aber sicher noch weiter bestehen wird, das wird noch sehr lange dauern. Bis dahin freuen wir uns, im Café Schopenhauer eine sehr nette und sympathische Bleibe zu haben.
Standard: War die Wahl des Schopenhauer Zufall? KS: Es ist heute nicht so einfach, ein Kaffeehaus zu finden, aber das Café Schopenhauer hat uns ganz freudig aufgenommen. DJ: Besonders gefällt uns, dass Schopenhauer bekanntlich ein großer Frauenhasser war. Es war Zufall, aber ich finde, er passt!
Standard: Sollten Mädchen im Schach speziell gefördert werden? DJ: Schach hat auch in der jungen Generation den Ruf eines Buben- oder Männerspiels, es soll auch für Mäd- chen interessant sein, und sie sollten ermutigt werden, diese Domäne zu erobern. KS: Es gibt halt das Vorurteil: „Das machen nur Nerds oder alte Männer.“Es wird sich erst was ändern, wenn Mädchen sehen, da sind lockere Mädels dabei ... DJ: ... und wenn sie sehen, die sind nicht Super-Nerds, sondern die haben auch andere Interessen und stehen normal im Leben.
Standard: Es gab in England um die Wende zum 20. Jahrhundert einen Frauenschachklub, zu dem auch Männer Zutritt hatten, wenn sie in Begleitung einer Frau kamen. Wäre das auch ein Konzept für Wien? DJ: Nein, definitiv nicht, da sind wir ganz streng. Die Erfahrung hat gezeigt, dass, sobald man ein, zwei Männer hereinlässt, wird der Frauenschachklub allmählich von Männern übernommen. KS: Wir sind dermaßen sympathisch, dass dauernd Männer herkommen und mitspielen möchten. Aber das geht natürlich nicht. DJ: Wir haben den Eindruck, die sind ein bisschen auf Brautschau. Ja, es sind nur Frauen hier, und clever werden die auch sein, wenn sie Schach spielen und so. Da muss man dann zum Teil schon nachdrücklich sein, aber die meisten verstehen’s dann schon. Im Großen und Ganzen sind wir sehr zufrieden mit der Entwicklung. Wir sind gekommen, um zu bleiben. Sabine Kirschenhofer, Mitglied des Frauenschachklubs, gelang beim Open von Pula, die folgende Perle:
Kirschenhofer – Gajarsky Pula 2015 wisch.
Semisla-
Weiß kann auch sofort 8.e4 spielen. Als beste Fortsetzung gilt 8... Lb7. Der thematische Vorstoß im Zentrum.
Den Stolz der Stellung, den Ld6 abtauschen zu lassen, ist kein nachahmenswertes strategisches Konzept.
Schwarz steht positionell bereits deutlich schlechter (12… Dxd4?? 13.Lxh7+).
Vergrößert den weißen Vorteil.
Natürlich nicht 14.dxe5?! Dxd3 15.exf6 gxf6 und Schwarz steht gut.
15.Df3! Der Weg zum König ist frei. In der Folge konzentriert Weiß alle Figuren auf dieses hohe Ziel. 15...
Lb7 16.Dh3 Mit unverhohlenen Drohungen. 16… g6 Zäher war 16... h6, denn jetzt gerät Schwarz in eine sehr unangenehme Stellung. Dieser Versuch den Druck abzuschütteln, klappt nur teilweise. Danach gibt es keine Rettung mehr. Schwarz musste, koste es was es wolle, zu 18... f6 19.cxd5 fxe5 20.dxc6 Lxc6 21.Txe5 greifen. Droht schlicht und einfach 20.Dh4. Auch nach 19... c5 war die Stellung nicht mehr zu halten: 20.Dh4 Kg7 21.d5! exd5 22.Lf4 und aus.
Ein prächtiges Damenopfer krönt den Mattangriff: 20… Kxh7 21.Th3+ Dh4 22.Txh4+ Kg8 23.Th8 matt, daher 1–0
Kontakt: Frauenschachklub Wien, Café Schopenhauer, Staudgasse 1, 1180 Wien; www.frau-schach.at (Frau Schach. Die Website für schachinteressierte Frauen)