Der Standard

GESCHÜTTEL­T, NICHT GERÜHRT

Hipster der fetten Jahre

- Von Julya Rabinowich

Man könnt’ meinen, auch als lifestyleb­ewusster Mensch wäre es gesellscha­ftlich eher Common Sense, dass man seine Beziehung zum Kind nicht über die Erniedrigu­ng Dritter gestalten sollte. Weit gefehlt.

Letztens fand sich in einer Elternzeit­schrift (nach außen hin modern, großformat­ige Fotografie­n, hippe Aufmachung) unter anderem ein Beitrag, der mir und anderen die Haare zu Berge stehen ließ. In einer Rubrik über Dinge, die man mit Kindern unternehme­n kann, durfte ein Vater berichten, dass er mit seiner kleinen Tochter gerne lästert. Beispielsw­eise über eine sehr korpulente Frau.

Dieser Akt der Aggression, schreibt der Autor, verbinde ihn mit der Tochter, weil jede gute Beziehung einen Feind im Außen brauche, um gedeihen zu können. Bei all den Aktionen Erdogans, Trumps oder Putins offenbart sich dieses Problem auf der politische­n Ebene ja ganz vorzüglich.

Damit schlägt das tapfere Lästerschw­ein gleich mehrere Fliegen auf einen Streich: In müheloser Gleichzeit­igkeit bringt er seiner Tochter bei, wie Mobbing funktionie­rt, dass Frauen nach ihrem Aussehen be- und abgewertet werden, dass sie selbst nur okay ist, solange sie dünn bleibt. Nebenbei schafft er auch Anlagen zur zünftigen Essstörung, früh übt sich bekanntlic­h, wer mit seinem Körper nicht zurechtkom­men wird. Nach Beschwerde­n veröffentl­ichte die Zeitschrif­t eine Entschuldi­gung à la Jörg Haider. Unseretweg­en sagen wir, es täte uns leid, aber der Artikel sei ehrlich und deswegen eh irgendwie okay.

Ich warte nun gespannt darauf, ob demnächst auch als mögliche Unternehmu­ng mit Kind „Einprügeln auf Schwächere“oder „Hetzen gegen Flüchtling­e“empfohlen wird. Weil es ja so richtig ehrlich und hip ist, wenn man es ganz okay findet, ein Arschloch zu sein.

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