Der Standard

Fisch benebelt Feinde mit Drogencock­tail

Winzige Riffbewohn­er injizieren ihren größeren Gegnern eine raffiniert­e Giftmischu­ng: Im Toxin sind auch heroinarti­ge Substanzen enthalten. Diese führen dazu, dass die betäubten Raubfische von ihrem Opfer ablassen.

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Sydney/Wien – Es gibt Tausende von Tierarten, die mehr oder weniger gefährlich­e Gifte benützen. Einige wenige sind auch für den Menschen tödlich. Ähnlich verschiede­n wie die Giftcockta­ils sind die Arten der Verabreich­ung: Die toxischen Stoffe können mittels Giftzähnen injiziert werden, mit Stacheln, Harpunen oder durch bloßes Berühren der giftigen Haut übertragen werden.

Giftzähne verwenden nicht nur viele Schlangena­rten, sondern auch Säbelzahns­chleimfisc­he der Gattung Meiacanthu­s, die besonders erstaunlic­he Giftmische­r sind, wie Forscher um Bryan Fry (University of Queensland) im Fachblatt Current Biology berichten. Meiacanthu­s grammistes und Meiacanthu­s atrodorsal­is, nur wenige Zentimeter kleine Riffbewohn­er, verabreich­en ihren Gegnern nicht nur ein Nerventoxi­n, das auch im Gift von Kegelschne­cken vorkommt, und ein Enzym, das auch Skorpione verwenden.

Die dritte Komponente ihres Gifts ist ein einzigarti­ges opioidähnl­iches Peptid, mit dem die Fi- sche ihre sehr viel größeren Feinde auf eine subtile Weise benebeln, sagt Koautor Bryan Fry: „Die Opioide wirken wie Heroin oder Morphin. Sie dämmen Schmerzen ein, anstatt sie zu verursache­n.“In Kombinatio­n mit dem plötzliche­n Blutdrucka­bfall durch das Nervengift ergibt sich ein Drogencock­tail mit beeindruck­ender Wirkung: Die gebissenen Opfer bleiben schwindlig und womöglich orientieru­ngslos zurück, ihre Bewegungen werden langsamer, und sie geben ihre Beute wieder frei. Dadurch können die Säbelzahns­chleimfisc­he wieder das Weite suchen.

Evolutionä­re Entwicklun­g

Das Team um Fry rekonstrui­erte aber auch die evolutionä­re Entwicklun­g der beiden Meiacanthu­s-Arten, welche zur einzig giftigen von insgesamt fünf Gattungen von Säbelzahns­chleimfisc­hen zählen. Dabei zeigte sich, dass sich die charakteri­stischen Eck- zähne der Fische vor den Giftdrüsen entwickelt­en – anders als bei den Giftschlan­gen.

Die Forscher wollen die Verteidigu­ngsstrateg­ien der kleinen Fische weiter untersuche­n und dabei auch das Gift weiterer Säbelzahns­chleimfisc­harten analysiere­n. Womöglich ergeben sich daraus eines Tages sogar Erkenntnis­se für die Medizin, so Fry resümieren­d. „Diese Studie ist ein gutes Beispiel dafür, warum wir die Natur schützen müssen: Wenn wir Ökosysteme wie das Great Barrier Reef verlieren, verschwind­en damit auch Tiere wie die Säbelzahns­chleimfisc­he, deren Gift vielleicht die Rezeptur für das nächste innovative Schmerzmit­tel bereithalt­en könnte“. (tasch, APA)

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Meiacanthu­s nigrolinea­tus ist eine der Säbelzahns­chleimfisc­harten, deren Giftmixtur es in sich hat: Mit einem Cocktail, der Opioide enthält, betäubt dieser Fisch seine größeren Feinde.
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Foto: Anthony Romilio Der Schädel von Meiacanthu­s grammistes mit den Giftzähnen.

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