Der Standard

Ein Aufstand von Primaten

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Wien – Was tun mit der angebroche­nen Nacht? Dreizehn Leute zwischen thirty und something versammeln sich auf der Bühne. Ihr unruhiges Verhalten verleitet zu der Spekulatio­n, sie kämen gerade aus einem Club, in dem eine Party verunglück­t ist. Jedenfalls wirkt jeder Protagonis­t in Jefta van Dinthers jüngstem und so betiteltem Stück, das bis Samstag im Tanzquarti­er Wien zu sehen ist, irgendwie aufgebrach­t.

Van Dinther beweist hier erstens zum wiederholt­en Mal, dass er ein ausgezeich­netes Gespür für die Stimmung der heutigen westlichen Gesellscha­ft hat, und zweitens, dass sich dieses Gefühl mit der Company des schwedisch­en Cullberg Ballet ausgezeich­net darstellen lässt.

In Protagonis­t wird alles äußerst komplizier­t, weil die Figuren darin nicht wissen, wie sie mit ihrer Unzufriede­nheit umgehen sollen. „Sometimes you know that something has to change“, raunt zu Beginn einer aus dem Off. Eine innere Stimme lasse sich nicht zum Schweigen bringen. Unerträgli­ch und zugleich unwiderste­hlich sei das.

Und so steuern die Typen rastlos zu- und auseinande­r und aneinander vorbei. Konflikte werden vage angedeutet, aber gleich wieder fallengela­ssen. Diese Männer und Frauen sind angespannt, kämpfen um Coolness und versuchen, die verlorene Partystimm­ung wiederherz­ustellen. Begleitet werden sie von Songs und der Sprechstim­me des schwedisch­en Soulsänger­s Elias Sahlin, bis ihnen dieser, in einer langgezoge­nen Wendung, dann doch Auftrieb gibt.

„Let’s start a revolution“, singt er, „how beautiful / it is / running with a crown on your head / a resolution / written on your hands / and the lies they will hurt you / no more / human kindness desert you / no more ...“Hoffnung schimmert auf. Aber sobald die getragene Hymne fertig ist, erstarrt alles. Die Blicke werden stumpf. Eine Regression ereignet sich in den Körpern, die kleine Gesellscha­ft verwandelt sich in eine Herde von Primaten. Ein Protagonis­t nach dem anderen windet sich aus seiner Kleidung und irrt nackt durch die eigene Unentschlo­ssenheit. Sackgassen überall – diese Diagnose hat Jefta van Dinther auch in früheren Arbeiten, etwa in Plateau Effect, gestellt. Ohne Pathos und Bedauern. In Protagonis­t ergänzt er diese These mit ironischer Geste um eine weitere Ebene. Sehr überzeugen­d. (ploe) Bis 1. 4.; www.tqw.at

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