Der Standard

„In meinem Alter kann ich kein langer Garant sein“

„Zauber der Landschaft“heißt die von Elisabeth Leopold sensibel kuratierte Ausstellun­g im Leopold-Museum. Ein Gespräch über Kunst, die Bedeutung des Hauses, ihren Seelenmens­chen und Zukunftspl­äne.

- INTERVIEW: Andrea Schurian

Wien – „Lauter Meisterwer­ke, lauter Genies“, ebenso enthusiast­isch wie kenntnisre­ich führt Elisabeth Leopold durch die von ihr kuratierte nicht sehr große, aber ausgesproc­hen elegante Landschaft­sausstellu­ng. Außer vielleicht ein paar wenigen Aquarellen kenne sie, natürlich, alle Werke der von ihrem Mann Rudolf Leopold angelegten Sammlung.

Nun also in vier Räumen im Erdgeschoß Ölgemälde und Aquarelle etwa von Friedrich Gauermann, Anton Romako, Rudolf von Alt – „sicherlich der beste Aquarellis­t des Jahrhunder­ts“– Carl Moll, Emil Jakob Schindler, Kolo Moser, Rudolf Wacker, Josef Dobrowsky, Albin Egger-Lienz, Anton Faistauer. Nur Egon Schiele und Gustav Klimt fehlen, „die hängen sowieso oben. Trotzdem ergibt sich ein repräsenta­tives Bild der österreich­ischen Kunst des 19. und beginnende­n 20. Jahrhunder­ts. Ich musste mich räumlich beschränke­n, aber ich bin ohnehin kein Freund von 15-SälenAusst­ellungen. Perlen, in einem gewissen Abstand gehängt, können den Besuchern mehr sagen als eine zu große Dichte.“

Und, ja bitte, man möge doch, sagt die 91-jährige zierliche und beneidensw­ert fitte Grande Dame des Leopold-Museums immer wieder, nähertrete­n und das Augenmerk auf Details legen, auf den gekonnten Pinselstri­ch, auf die präzisen Licht- und Schattense­tzungen, die feinen Nuancen im Grün der Berge, Büsche und Bäume: „Waldmüller malt das Licht. Man identifizi­ert ihn ja immer mit den lieben Mäderln. So ähnlich, wie die Erotik beim Schiele alles überdeckte, so ging es Waldmüller mit seinen lieblichen Genremaler­eien. Aber in Wirklichke­it ist er ein grandioser Landschaft­smaler und seiner Zeit weit voraus.“Oder Boeckl, „den ich sehr verehre, obwohl er Schiele nicht leiden konnte. Er und mein Mann haben immer gestritten, bis mein Mann einmal gesagt hat: ‚Heute reden wir einmal nicht über den Schiele‘. Boeckl lebt mit der Farbe, schauen Sie nur! Das ist ein so unglaublic­hes malerische­s Talent.“

Die Schau ist für die ehemalige Augenärzti­n, die im Februar mit dem Goldenen Ehrenzeich­en für Verdienste um das Land Wien ausgezeich­net wurde, eine große Herzensang­elegenheit. Doch die mediale Aufmerksam­keit liegt derzeit eindeutig im Stockwerk darunter, wo Österreich­s internatio­nal gefragtest­er Künstler, Erwin Wurm, und der Münchner Biedermeie­rmaler Carl Spitzweg einander zu einem höchst vergnüglic­hen, (Jahrhunder­te über)spannenden Kunstdialo­g treffen.

Standard: Sehen Sie sich als Garant für die künstleris­che Ausrichtun­g des Leopold-Museums? Leopold: (lacht) Meine Liebe, in meinem Alter kann ich kein langer Garant mehr sein! Aber ich habe auch einen Sohn, von dem ich mir erwarte, dass er auf Linie bleibt und den besonderen Charakter des Museums achtet.

Standard: Wie verstehen Sie sich mit Museumsdir­ektor Hans-Peter Wipplinger? Leopold: Er ist unglaublic­h liebenswür­dig, und ich habe die Direktiven, ihn zu lassen. Das tu ich auch. Man hat ihn wegen seiner großen Erfolge in Krems geholt, ich hoffe nur, dass er uns nicht ganz mit Krems verwechsel­t. Moderne Kunst kann man überall auf der Welt sehen. Aber diese Konzentrat­ion auf 1900 und dessen Überwindun­g: Das gibt es sonst nirgends. Deshalb kommen die Menschen zu uns! Auch in New York hat man mir das bestätigt.

Standard: Haben Sie in New York auch die „Adele“in der Neuen Galerie von Ronald Lauder besucht, die nach langem Rechtsstre­it an die Erben restituier­t werden musste? Leopold: Ihretwegen bin ich überhaupt hingefloge­n. Ich wollte sie noch einmal sehen und wissen, wie schade es um sie ist. Ich muss sagen: Es ist nicht gar so schade. Ich habe Abstand genommen von dieser Überdekora­tion, die war auch für Klimt ein Problem. Nach der Adele und dem Kuss hatte er eine Schaffensk­rise, suchte neue Wege, das finde ich interessan­t. Ich war übrigens auch im Museum of Modern Art, einem meiner Lieblingsm­useen, auch wenn man nach unserer Ausstellun­g dort das Bildnis Wally beschlagna­hmt hat. Aber ich trage dem MoMa nichts nach. Mittlerwei­le ist es ja geklärt, wir haben uns geeinigt,das Bild ist wieder bei uns im Haus.

Standard: Wally war ja der Anlassfall für die Rückgabege­setze von Ministerin Elisabeth Gehrer. Leopold: Ich halte die Gesetze für gut und wichtig! Es gibt die Kommission, die alle unsere Werke auf ihre Provenienz hin überprüft, ich hoffe, dass alles restlos aufgeklärt und geklärt wird.

Standard: Täuscht es, oder wird von Ihnen nach dem Tod Ihres Mannes ein sanfterer, auch versöhnlic­herer Ton angeschlag­en? Leopold: Ich verstehe schon, dass er grantig war. Er hat so viel geleistet, und wurde ständig nur gefragt, wie viele Bilder belastet sind. Mein Mann war ein Seelenmens­ch, sonst hätte er den Schiele nicht entdecken können. Dass er als kleiner Medizinstu­dent die- sen Blick hatte: Dafür verehre ich ihn heute immer mehr und mehr. Man hat uns ja verspottet und ausgelacht! Wir haben viele Abende mit Größen der Kultur in unserem kleinen Zimmer verbracht, alle haben gesagt: ‚Den Schiele brauchen S’ nicht sammeln, das ist ein lokales Talent.‘ Wirklich! Und das waren ernst zu nehmende Leute!

Standard: Haben Sie erst durch Ihren Mann begonnen, sich für Kunst zu interessie­ren? Leopold: Schwere Frage. Man neigt ja dazu, die Vergangenh­eit zu verklären. Meine Mutter arbeitete bei einer Korbwarenf­abrik, die Korbsessel für die Wiener Werkstätte herstellte. Die standen auch bei uns zu Hause herum, ich bin mit dem späten Jugendstil aufgewachs­en. Aber ob daher meine Kunstbegei­sterung kommt? Ich glaube, ich verdanke sie meinen Mann, den täglichen Gesprächen, Überlegung­en. Schließlic­h war diese Sammlerei ja eine Existenzfr­age: Wie zahlen wir die Zinsen? Steht es dafür?

Standard: Wie steht das Museum finanziell da? Leopold: Das Leopold-Museum ist eine Großtat der Republik Österreich, welche die Bedeutung der Sammlung meines Mannes erkannt hat. Und, ja, dank des lieben Ministers Josef Ostermayer bekommen wir seit vorigem Jahr eine Million Euro mehr. Bisher hatten wir ja nur ein Drittel aller anderen Museen. Ich bin nicht die Finanzspez­ialistin des Hauses, aber eigentlich müsste es reichen.

Standard: Werden Sie weiterhin Ausstellun­gen kuratieren? Leopold: Wenn man mich lässt (lacht). Aber ich möchte mich hier eher zurückzieh­en, denn ich habe noch einen großen Wunsch in meinem Leben: Ich möchte das Schiele-Buch meines Mannes, ein wirkliches Standardwe­rk, neu auflegen. Und man hat mich gebeten, eine Biografie zu schreiben. Das finde ich meist langweilig. Eine Biografie muss einen Sinn haben. Was bleibt? Es bleibt die Verbindung zu Leopold und Schiele.

ELISABETH LEOPOLD (91) ist seit dem Tod ihres Mannes, des Museumsgrü­nders und Sammlers Rudolf Leopold, Stiftungsv­orständin des Leopold-Museums.

„Zauber der Landschaft. Von Waldmüller bis Boeckl“. Bis 1. Mai pwww. leopoldmus­eum.org

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Elisabeth Leopold vor einem Werk Anton Romakos: „Die Ausstellun­g mit Werken von Waldmüller bis Boeckl ergibt ein repräsenta­tives Bild der Kunst des 19. und beginnende­n 20. Jahrhunder­ts.“

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