Der Standard

Waterboard­ing auf der Onedin-Linie

Tom Hardys fantastisc­h gute Fernsehser­ie „Taboo“jetzt auch auf Deutsch

- Christian Schachinge­r

Wien – Der wortkarge und von Auswirkung­en körperlich­er und psychische­r Gewalt gezeichnet­e Protagonis­t James Keziah Delaney, gespielt vom auch nicht gerade als schauspiel­erische Plaudertas­che bekannten Paradepsyc­hopathen Tom Hardy (Mad Max, The Revenant, Bronson), kehrt tot geglaubt zwölf Jahre nach seiner Flucht vor der Familie im Jahr 1814 aus Afrika nach London zurück. In seinem Gepäck befinden sich nicht nur Blutdiaman­ten, eine Vergangenh­eit als Sklavenhän­dler und Massenmörd­er, sondern auch rechtschaf­fene Rachegelüs­te. Immerhin steckt ja selbst im größten Ekelhaufen immer auch ein Stück Menschlich­keit, das zur Not auch mit Waterboard­ing, Knochenbre­chen und Beuschlrei­ßen herausgeho­lt werden kann.

Blut ist dicker als Wasser. Auch wenn die Mutter ihn als Baby töten wollte und der Vater die Mutter ins Irrenhaus wegsperrte (was wir aber jetzt noch nicht wissen müssen, es ist auch so spannend). Immerhin geht es darum, in Folge den Tod des verhassten Vaters zu rächen. Der wurde offenbar von der damals aktiven zweiten Macht im Staat, der ausbeuteri­schen Welthandel treibenden East India Company, umgebracht. Der Grund ist ein blutiger Boden, ein Stück Grenzland an der Westküste Nordamerik­as, das im damaligen Krieg zwischen Großbritan­nien und den Separatist­en eine entscheide­nde Rolle spielt.

Die erste Staffel der britischen Fernsehser­ie Taboo wird völlig zu Recht hymnisch abgefeiert. Entwickelt von Tom und seinem Vater Edward „Chips“Hardy sowie Regiealtme­ister Ridley Scott als Produzent, wird man in dieser nun auch offiziell über den deutschen Bezahlkana­l Amazon Prime vorliegend­en achtteilig­en Serie nicht nur Zeuge eines weiteren historisch angesiedel­ten britischen Fernsehwun­ders in der Nachfolge von Peaky Blinders (an dem Tom Hardy ebenfalls beteiligt war). Die Mischung aus brutalreal­istischer Schilderun­g des Lebens im vor Dreck starrenden Lon- don des frühen 19. Jahrhunder­ts, Intrigen, tabuisiert­er Geschwiste­rliebe (aha!) und schlichtwe­g abgrundtie­fer, auf reiner Gier beruhender Bösartigke­it und Entmenschl­ichung ist vor allem auch filmisch akribisch bis in die letzten unausgeleu­chteten Ecken der vor Feuchtigke­it und Verzweiflu­ng starrenden Häuser angelegt.

Der großartige Jonathan Pryce gibt neben Tom Hardy den zweiten, eher merkantil denn sadistisch auftragend­en Oberschurk­en von der Company, Franka Potente die zynische Puffmutter. Oona Chaplin als James Delaneys Halbschwes­ter laviert zwischen Berechnung und Leidenscha­ft für ihren geliebt-gehassten Bruder.

Gibt es im Leben Happy Ends jenseits von Stichwunde­n und Tod durch Ertrinken? Zwischendu­rch werden wir Zeuge afrikanisc­her Voodooritu­ale. Der sensatione­ll bedrohlich­e Soundtrack stammt von Max Richter. Zwei weitere Staffeln sind abgesegnet. Die Onedin-Linie ist dieses Mal so richtig toll geworden. Ab sofort bei Amazon Prime

 ?? Foto: Amazon Prime ?? Die britische Fernsehser­ie „Taboo“: Der britische Schauspiel­er Tom Hardy als körperlich wie seelisch gebrochene­r James Keziah Delaney, der nach zwölf Jahren als Sklavenhän­dler in Afrika ins London des Jahres 1814 zurückkehr­t, um ziemlich blutige Rache...
Foto: Amazon Prime Die britische Fernsehser­ie „Taboo“: Der britische Schauspiel­er Tom Hardy als körperlich wie seelisch gebrochene­r James Keziah Delaney, der nach zwölf Jahren als Sklavenhän­dler in Afrika ins London des Jahres 1814 zurückkehr­t, um ziemlich blutige Rache...

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