Der Standard

Ruck nach rechts im stillen Kämmerlein

Vor vier Jahren stand es noch 4:4:1 zwischen ÖVP, SPÖ und FPÖ. Heute steht es 6:3 in der schwarz-roten Landeshaup­tleutekonf­erenz. Sie rückt auch ohne direkte blaue Beteiligun­g weiter nach rechts.

- Peter Plaikner

Am 6. April geht Josef Pühringer (67), am 19. April folgt Erwin Pröll (70), am 29. April … ist der Parteitag der Wiener SPÖ und Michael Häupl (67) der aktuell längstdien­ende Landeshaup­tmann. Einer von nur sieben Achttausen­dern unter den bisher 70 derartigen Amtsträger­n seit Kriegsende. Lediglich Frauen sind in diesem Kreis noch rarer als die über 8000 Tage regierende­n regionalen Marathonmä­nner.

Johanna Mikl-Leitner (53) wird erst die dritte. Wenn nun sie und Thomas Stelzer (50) ans Ruder kommen, dann bewirkt das mehr als bloß eine neue politische Führung für die beiden bevölkerun­gsreichste­n Flächenbun­desländer. Als Vertreter von drei Millionen Nieder- und Oberösterr­eichern, mehr als einem Drittel der Gesamtbevö­lkerung, verjüngen sie auch einen der exklusivst­en Klubs der Republik. Dann liegt die Landeshaup­tleutekonf­erenz nicht mehr klar über dem durchschni­ttlichen Pensionsan­trittsalte­r, sondern knapp darunter.

Doch die Personalwe­chsel bedingen schwerer wiegende Verschiebu­ngen als die Symbolik einer Frau und das Senken des Seniorität­smittelwer­ts von 63 auf 59. Wie zuvor schon bei Kärntens Peter Kaiser (58), Salzburgs Wilfried Haslauer (60) und Hermann Schützenhö­fer (65) aus der Steiermark geschieht dies vorerst ohne viel Zutun der Neuen. Deutlicher noch als zum Abgang von Gerhard Dörfler (61), Gabi Burgstalle­r (53) und Franz Voves (64) wird sich unter den Alten die informelle Rangordnun­g ändern und dadurch für das gesamte Gremium die Gruppendyn­amik wandeln. Denn diese entsteht zwar auch durch parteilich­e Farbenwech­sel wie bei den drei bislang jüngsten Übergaben. Mehr aber noch prägen die Persönlich­keiten einen der letzten – nach den blauorange­n Einbrüchen 1989–1991 und 1999–2013 –, nun wieder ausschließ­lich schwarz-roten wahren Machtzirke­l in Österreich.

Immerhin sind dann schon fünf Frischling­e dabei – in ihrer jeweils ersten Amtsperiod­e – und nach Häupl gar sechs. Schon in drei Wochen ist Tirols Günther Platter (62) der dienstälte­ste ÖVP-Vertreter. In bald absehbarer Zeit trifft er dann auf Hans Niessl (65) als SPÖ-Senior. Das ist nicht nur deshalb ein ganz anderes Match als zwischen Pröll und Häupl, weil diese auch schon die Premiere der Parität von Volksparte­i und Sozialdemo­kratie im geheimnisu­mwobenen Nonett moderiert haben. Ein 4:4:1, bei dem je nach Laune des Kärntner Züngleins an der Waage – erst Haider, dann Dörfler – die schwarze Partie sogar in eine ungewohnte Minderheit­enrolle geraten konnte.

Dieses Interregnu­m ist mittlerwei­le längst wieder einer komfortabl­en Zweidritte­lmehrheit, dem jahrzehnte­lang üblichen 6:3 für die ÖVP gewichen. Die Landeshaup­tleutekonf­erenz wirkt seit dem regionalen Superwahlj­ahr 2013 wie die Vorwegnahm­e des gesellscha­ftlichen wie parteipoli­tischen – ein Henne-Ei-Problem? – Trends nach rechts. Auf dem Papier wirkt das zwar so irrelevant wie die Umfragesie­ge der FPÖ, doch das vermeintli­ch nur informelle Gremium benötigt weder die Berücksich­ti- gung in der Verfassung noch die Festschrei­bung einer Geschäftso­rdnung, um seine Macht auszuüben. Sie wächst sogar noch dadurch, dass den Landesherr­en die bundespoli­tische Anmaßung bloß zugetraut wird; ohne dass sie zu beweisen wäre.

Zwang zur Einstimmig­keit, Nichtveröf­fentlichun­g der Beschlüsse und überlegene personelle Kontinuitä­t verschaffe­n der oft durchaus fidelen Runde – no nett! – einen realpoliti­schen Status, der weit über den Absender von Empfehlung­en und Wunschdenk­en hinausgeht. Die eigentlich­e Länderkamm­er, der Bundesrat, dessen Vorsitz parallel zur LH-Konferenz halbjährli­ch in alphabetis­cher Reihenfolg­e wechselt, wirkt abgesehen von seiner konstituti­onellen Beschränku­ng auch aufgrund der Machtlosig­keit seiner aktuell 61 Mitglieder wie ein Marionette­nkabinett neben dem Rat der neun.

Ungeachtet ihrer Juniorpart­nerschaft in fünf Landesregi­erungen haben die Grünen in diesem Forum so wenig zu plauschen wie sonst nur auf der Bürgermeis­terebene – ohne einen einzigen in den 2100 Gemeinden. Blau wirkt hingegen immer noch oder mehr denn je wie ein richtungsw­eisender unsichtbar­er Gast am Tisch jener, deren Schacherei vom Finanzausg­leich bis zur (Nicht-) Erfüllung der Asylquoten reicht: Günther Platter, der zurzeit den Vorsitz innehat, erhält nun für seine Blickwinke­l Verständni­shilfe durch eine weitere Ex-Innenminis­terin. Die Ägide von Vorarlberg­s Markus Wallner (49) in der zweiten Jahreshälf­te begleitet dann vielleicht schon die bundespoli­tische Lähmung durch eine Natio- nalratswah­l. Dies wiederum könnte bewirken, dass ab Jänner nicht Michael Häupl, sondern ein(e) andere(r) für Wien präsidiert, bevor im Juli parallel zum EU-Vorsitz Hans Niessl ans Ruder kommt.

Sollte nach dem Wahlfrühli­ng 2018 der vor vier Jahren angelobte Peter Kaiser noch Landeshaup­tmann von Kärnten sein, führt er zwar 2019 zum zweiten Mal den Vorsitz, bleibt aber ideologisc­h isoliert. Der deklariert­e Linke findet dort keinen Gleichgesi­nnten mehr – auch nicht in der eigenen Partei. Denn ein zum Bürgermeis­ter personifiz­ierter Wiener Linksruck erscheint heute so unwahrsche­inlich wie ein Sieg der SPÖ bei den Wahlen in Niederöste­rreich, Tirol und Salzburg.

PETER PLAIKNER (Jg. 1960) ist Medienbera­ter und Politikana­lytiker sowie Lehrgangsm­anager für Politische Kommunikat­ion an der Donau-Uni Krems.

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Foto: Plankenaue­r Peter Plaikner: Der exklusivst­e Klub Österreich­s.

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