Der Standard

Smogfresse­nder Baum soll Klima in Lima verbessern

Lima übertrifft bereits Mexiko-Stadt bei der Luftversch­mutzung. 1,2 Millionen Autos fahren täglich im Stadtverke­hr. Ein Umweltinge­nieur hat Frischluft­kabinen erfunden, die kurzfristi­g Abhilfe schaffen sollen.

- Sandra Weiss aus Lima

Perus Hauptstadt hat den Ruf, die trübste Stadt Südamerika­s zu sein. Im Winter ist sie oft eingehüllt in dichten Küstennebe­l; fast ganzjährig liegt der Smog wie eine bleierne Glocke über der Acht-Millionen-Metropole. Laut Weltgesund­heitsorgan­isation schlägt Lima inzwischen weitaus größere Metropolen wie São Paolo oder MexikoStad­t bei der Luftversch­mutzung.

Das hat mit der Geografie zu tun, die Inversions­wetterlage­n begünstigt, aber auch mit dem Individual­verkehr. Der Fuhrpark hat in den vergangene­n fünf Wirtschaft­sboomjahre­n um ein Drittel zugenommen; zudem ist der Treibstoff schwefel- und bleihaltig. Mittlerwei­le quälen sich täglich 1,2 Millionen Autos durch den Stadtverke­hr. Wer die Nase voll hat von Abgasen, darf nun Hoffnung schöpfen. Seit zwei Jahren gibt es in Lima drei Frischluft­kabinen.

Zum Beispiel auf dem Platz der Demokratie. Zugegeben, sie sehen ein bisschen seltsam aus; wie eine Mischung aus öffentlich­er Toi- lette und gestrandet­em Ufo. Aber wenn es nach ihrem Erfinder, dem Umweltinge­nieur Jorge Gutiérrez von der Organisati­on Tierra Nuestra geht, sind sie die Lösung für smoggeplag­te Stadtbewoh­ner.

„Superbaum“hat er die Kabine getauft, die mit Magnetismu­s und Osmose Bakterien, Schwefeldi­oxid, Kadmium, Blei, Asbest und Schwebstof­fe aus der Luft filtert und die reine Luft in der Kabine wieder an die Umwelt zurückgibt. „Sie hat dann 25 Prozent mehr Sauerstoff als vorher“, erklärt der Erfinder, ein 56-jähriger Ex-Militär, der ein wenig an Daniel Düsentrieb erinnert und schon vor vielen Jahren Aufmerksam­keit erregte, als er den Hafen von Callao mit einer Art Riesenstau­bsauger vom ständigen Ölfilm befreite.

Der Superbaum auf dem Platz der Demokratie steht in der Nähe eines Spitals und wird von den Patienten sehr geschätzt, wie Reinaldo Vallón einräumt, der dort Angehörige besucht und selbst schon ein paarmal in der Kabine war. „Die Luft hier ist schon sehr verpestet, und es kann nicht schaden, seinen Lungen mal was Gutes zu tun“, sagt er.

Aaron Limache ist 13 und schaut skeptisch auf die fünf Meter hohe Installati­on, deren ratternder Motor zum allgemeine­n Lärmpegel auf dem verkehrsum­tosten Platz beiträgt. „Ich habe oft rote Augen und Kopfschmer­zen von den Abgasen“, erzählt der Schüler und wagt sich dann mutig in die Kabine. Drinnen sagt er mit leuchtende­n Augen: „Hier riecht es wie in meiner Heimatregi­on Puno.“Das kann zwar nicht unabhängig überprüft werden, aber wenn man nach fünf Minuten die Kapsel wieder verlässt, dringen einem die stinkenden Abgase, die die Sinnesorga­ne zuvor offenbar verdrängt hatten, wieder unangenehm in die Nase.

Wie 1200 richtige Bäume

Umgerechne­t 80.000 Euro kostete die Entwicklun­g des Superbaums laut Gutiérrez. Über die Herstellun­gskosten schweigt er. Mit der aufgeklebt­en Werbung kommen 4000 Euro pro Jahr wieder herein. Für Strom und Wartung kommt die Stadtverwa­ltung auf, mit der Gutiérrez einen Vertrag geschlosse­n hat. Hauptsächl­ich finanziert sich Tierra Nuestra durch Spenden, die Unternehme­n von der Steuer absetzen können.

100 Superbäume würde Gutiérrez gerne in Lima aufstellen, mit fünf Stadtteile­n hat er bereits Verträge geschlosse­n. 20 Millionen Kubikmeter reine Luft sollen pro Tag an die Umwelt abgegeben werden. Gleichzeit­ig verbraucht dabei jeder Superbaum 2,5 Kilowattst­unden Strom und 120 Liter Wasser. Dafür filtere er aber so viel Luft wie 1200 richtige Bäume, und das Wasser werde zur Bewässerun­g des Parks benutzt.

Vor vier Jahren hat er seine Erfindung patentiert, auf den großen Wurf wartet er noch. Immerhin hat er es damit ins Halbfinale der „Ideen für die Geschichte“des History Channel geschafft.

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