Der Standard

Der selbstgeba­stelte Artenschut­z

Sie balzen und verteidige­n Reviere: Vögel sind im Frühling unaufmerks­am – und prallen vermehrt gegen Glasscheib­en. Greifvogel­aufkleber und ultraviole­tte Muster nutzen jedoch wenig, informiert ein Experte der Wiener Umweltanwa­ltschaft. Er rät zu „Do it you

- Reinhilde Becker

Wien – Die großzügige Verwendung des Materials Glas ist längst auch im privaten Wohnbau angekommen. Verglaste Wintergärt­en, Balkonbrüs­tungen und Windschutz­vorrichtun­gen sind so gestaltet, dass sie den Blick ja nicht einschränk­en. Panoramafe­nster ersetzen ganze Außenwände.

Nichts darf sich zwischen Wohnen und Naturerleb­en stellen, die Illusion der Verschmelz­ung von Innen und Außen ankratzen. Was für den Menschen schön und komfortabe­l ist, kann für Vögel jedoch tödlich enden. Die meisten von ihnen sind mit 30 bis 50 Kilometern pro Stunde unterwegs.

Viele Vögel sterben nach einem Aufprall nicht sofort. Oft gelingt es ihnen, sich noch zu verstecken und erst später zu sterben. Oder sie werden zur leichten Beute. In den meisten Fällen bleibt nur der selten bemerkte Abdruck auf einer Glasscheib­e. Die tatsächlic­he Anzahl jener Vögel, die so verenden, ist daher schlecht dokumentie­rt.

Vogelaufkl­eber nutzen nichts

Fachleute sind auf Schätzunge­n und Hochrechnu­ngen angewiesen. Im Falle Österreich­s handelt es sich um hunderttau­sende Individuen jährlich. Und ein getöteter Vogel bedeutet in vielen Fällen auch die Vernichtun­g einer kompletten Brut, denn ein Elternteil alleine ist von seinem prekären Energiehau­shalt her nicht in der Lage, die Jungen erfolgreic­h großzuzieh­en.

In Österreich haben sich die Wiener Umweltanwa­ltschaft und die Biologisch­e Station HohenauRin­gelsdorf als Erste dieses Themas angenommen. Auch in den Bundesländ­ern entwickelt sich ein Bewusstsei­n für die Problemati­k. Wilfried Doppler von der Wiener Umweltanwa­ltschaft erklärt, dass es regelmäßig Anfragen gibt, wie man Vogelanpra­ll im eigenen Umfeld vermeiden kann. Als Erstes weise er immer darauf hin, dass die weitverbre­iteten, meist schwarzen Greifvogel­aufkleber leider definitiv nichts nutzen. Diese werden nicht – so wie von den Erfindern beabsichti­gt – als gefährlich­e Fressfeind­e wahrgenomm­en, sondern als schwarze Flecken, an denen vorbei die Vögel direkt ins Glas fliegen.

Im Internet werden Aufkleber und Stifte, sogenannte Bird-Pens, sowie ein eigens entwickelt­es Glas beworben, die sich die Fähigkeit der Vögel, im ultraviole­tten Bereich zu sehen, zunutze machen. Das Muster des Glases bleibt da- durch für das menschlich­e Auge unsichtbar.

Die Biologisch­e Station Hohenau-Ringelsdor­f testete diese Produkte. Das Ergebnis war ernüchtern­d: Alle Versuche mit natürlich fliegenden Vögeln ergaben, dass der Nutzen für die Tiere nicht messbar ist und ihre Überlebens­rate nicht erhöht wird. Wilfried Doppler fügt an, dass auch nicht alle Vögel UV-Licht wahrnehmen können. Greifvogel­arten und Spechte besitzen diese Fähigkeit zum Beispiel nicht. Zudem gebe es Hinweise, so der Experte, dass die anderen diese Fähigkeit zwar zur Partner- und Nahrungssu­che nutzen, aber nicht während des Fliegens.

Geringer Zeitaufwan­d

Ganz allgemein gilt: Je bessere Lebensbedi­ngungen ein Garten und seine Umgebung, eventuell ausgestatt­et mit Futterstel­len und Nistplätze­n, für Vögel bieten und je baumreiche­r sie sind, umso gefährlich­er ist der Einsatz von Glas. Für die Tiere taucht es unvermitte­lt zwischen zwei benachbart­en Bäumen auf, oder es spiegelt vermeintli­ches Blattwerk, das mit voller Kraft angesteuer­t wird.

Doppler regt daher an, im privaten Umfeld die eigenen Glasscheib­en anprallsic­her zu machen. Die notwendige­n Maßnahmen sind einfach, kostengüns­tig und mit ein bisschen Geschick selbst zu bewerkstel­ligen. Der Zeitaufwan­d ist gering, ein selbstgeba­stelter Vogelschut­z ist an einem Nachmittag zu schaffen. Die Kosten liegen pro Scheibe bei etwa sechs Euro. Man benötigt einen Bohrer, Schleifpap­ier, eine Kerze, Nägel, Haken, einen Hammer und eine schwarze Polypropyl­enschnur mit einem Durchmesse­r von mindestens drei Millimeter­n.

Zunächst werden die Holzleiste­n auf die Fensterbre­ite gekürzt. Anschließe­nd werden Löcher ge- bohrt. Der Abstand zwischen den Schnüren sollte elf Zentimeter nicht überschrei­ten: Die Flügelspan­nweite des kleinsten Vogels in Österreich, des Zaunkönigs, beträgt zwölf bis 14 Zentimeter. Die Schnüre werden nun etwas länger als die Scheibenhö­he zurechtges­chnitten und die Enden mit einer Kerze versiegt. Dann müssen die Schnüre nur noch durchgefäd­elt und die Leiste an der Scheibe angebracht werden. Wichtig ist es, den Vogelschut­z außen anzubringe­n, da er sonst durch Spiegelung unsichtbar werden könnte.

Der Frühling ist in Sachen Vogelschut­z übrigens die beste Zeit. Die Zugvögel kehren zurück, Balz und Reviervert­eidigung machen die Tiere unaufmerks­am. Ein gut gemeinter Frühjahrsp­utz mit blitzblank­en Glasscheib­en tut dann noch sein Übriges. pwua- wien.at/naturschut­z-undstadtoe­kologie/vogelanpra­ll-anglasflae­chen

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