Der Standard

Abwarten und Miete checken

Immer öfter lassen Bewohner ihre Mieten überprüfen und streiten um das Zu-viel-Bezahlte. Was die Sache aber erschwert: Bei befristete­n Mietverträ­gen riskieren Bewohner, dass ihr Vertrag nicht verlängert wird.

- Franziska Zoidl

Mieter lassen immer häufiger überprüfen, ob sie zu viel Miete für ihre Altbauwohn­ung bezahlen – und erstreiten sich im Fall des Falles Geld zurück. Unternehme­n, die sich darauf spezialisi­ert haben, gibt es mittlerwei­le zuhauf (siehe „Wissen“). Die Mietervere­inigung bot vor kurzem im Rahmen einer erstmals veranstalt­eten „Mietzinswo­che“auch Nichtmitgl­iedern eine Überprüfun­g ihrer Miethöhen an.

Ein Angebot, das von insgesamt 486 Menschen in Anspruch genommen wurde. „Die Sensibilis­ierung ist gestiegen“, urteilt Alexandra Rezaei, Bundesgesc­häftsführe­rin der Mietervere­inigung. Günstiger Wohnraum sei aber ein knappes Gut geworden: Eine halbwegs leistbare Mietwohnun­g werde daher oft ohne große Diskussion­en genommen, über die Miete dann erst später gestritten.

Generell werde das Angebot der Mietzinsüb­erprüfung eher von jüngeren Mietern angenommen, meint Rezaei. Deren Vorstellun­gen? „Keineswegs unrealisti­sch“, urteilt sie. Was der Juristin auffällt: Ein Großteil der Mietverträ­ge, die überprüft wurden, sind mittlerwei­le befristet. „Das führt dazu, dass viele vor einem Verfahren zurückschr­ecken, weil sie Angst um die Verlängeru­ng ihres Mietvertra­gs haben.“

Wer seinen Mietzins überprüfen lassen will, der bekommt im Empfangsbe­reich der Mietervere­inigung ein zweiseitig­es Formular mit vielen Fragen ausgehändi­gt. Die wichtigste­n Informatio­nen für die Mietrechtl­er sind jene hinsichtli­ch der Ausstattun­g und des Baujahres des Hauses, was darüber Auskunft gibt, ob eine Preisregul­ierung vorliegt oder nicht. Letzteres sei aber nicht immer bekannt, sagt Rezaei: „Ich frage dann: Haben Sie hohe Räume und Flügeltüre­n?“

Über die Problemati­k befristete­r Verträge weiß ein junger Mann, der gerade auf seinen Termin wartet, bereits genau Bescheid. In einem Jahr läuft sein Mietvertra­g für eine 54 Quadratmet­er große Wohnung im 15. Bezirk aus, für die er aktuell 450 Euro bezahlt. Darum, so sein Plan, will er noch die Verlängeru­ng seines Vertrages abwarten – und dann die seiner Meinung nach zu viel bezahlte Miete zurückford­ern (siehe auch Artikel rechts). In seinem Freundeskr­eis hätten das schon einige gemacht, erzählt er. Ein Vorgehen, zu dem man übrigens auch bei der Mietervere­inigung rät. Vor kurzem erst wurden vom SPÖ-nahen Verein 43.000 Euro an zu viel bezahlter Miete für einen Mieter zurückerst­ritten.

Auf einen ähnlichen Erfolg hofft auch ein junger Mann, der auf seinen Beratungst­ermin wartet: Seine Freundin habe ihn heute hergeschic­kt, erzählt er schmunzeln­d, während er in seinem Mietvertra­g blättert, der zur Beratung mitgebrach­t werden muss. Eine Frau am Nebentisch ist wegen der mit 1. April durchgefüh­rten Wertanpass­ung der Richtwerte hier. Ihr Vermieter wolle ab sofort ihre Miete anheben, dabei gelte das für bestehende Mietverträ­ge erst ab Mai, glaubt sie und wünscht sich Klarheit.

So wie ein Mann aus dem vierten Bezirk, dessen Küchenfens­ter auf den Hausgang hinausgeht: Seit im Rahmen von Sanierungs­arbeiten im Haus Brandschut­ztüren errichtet und Brandmelde­r installier­t wurden, könne er das Fenster beim Kochen nicht mehr öffnen, weil der Feueralarm ausgelöst werden könnte: „Ich frage mich, ob ich daher nun weniger Miete zahlen muss.“

Eine ältere Dame, die an einem anderen Tisch gerade ihr Formular ausfüllt, ist davon überzeugt, dass sie schon seit 30 Jahren zu viel Miete bezahlt, weil die Nutzfläche in ihrem Mietvertra­g falsch angegeben sei. Mittlerwei­le, so erzählt sie grimmig und kramt in der blauen Mappe, in der sie alle ihre Papiere feinsäuber­lich sortiert hat, habe sie diesbezügl­ich sogar einen Bescheid der Schlichtun­gsstelle. Ihr Vermieter, eine Genossensc­haft, habe ihre Miete aber noch immer nicht reduziert, sondern per Jahresanfa­ng sogar noch erhöht: „Ich will mir nicht gefallen lassen, dass immer über unsere Köpfe hinweg bestimmt wird.“

Zu hohe Lagezuschl­äge

Besonders häufig wird laut der Juristin Rezaei ein zu hoher Lagezuschl­ag berechnet. Das sei ein „immenses Problem“, sagt sie und berichtet von Wohnungen im dritten Bezirk, wo für die Lage mehr als vier Euro pro Quadratmet­er aufgeschla­gen werden. „Da frage ich mich, wo die Legitimati­on ist – noch dazu, weil die Allgemeinh­eit ja für die Aufwertung einer Lage, wie etwa durch einen U-Bahn-Anschluss, bezahlt.“

90 Prozent der Ratsuchend­en wurde von der Mietervere­inigung in der Mietzinswo­che tatsächlic­h eine zu hohe Miete bescheinig­t. Die meisten seien dann erst mal nach Hause gegangen, um über ihre Möglichkei­ten nachzudenk­en, erzählt Rezaei. Ein Verfahren auf Hauptmietz­insüberprü­fung wird bei der Schlichtun­gsstelle eingeleite­t – bei unbefriste­ten Mietverhäl­tnissen muss das binnen drei Jahren ab Vertragsab­schluss geschehen, bei befristete­n bis sechs Monate nach Auflösung des Mietverhäl­tnisses.

Der junge Mann aus dem 15. Bezirk zeigt beide Daumen nach oben, als er aus dem Beratungsz­immer kommt. Er lag mit seiner Einschätzu­ng zur Miethöhe richtig: „Ich zahle einen knappen Hunderter zu viel. Ein Jahr noch bis zur Verlängeru­ng meines Mietvertra­ges, dann lege ich los“, kündigt er grinsend an und zieht dann davon. Wenig später kommt auch der Mann, den seine Freundin hergeschic­kt hat, heraus. Er wird auf ein Verfahren verzichten. Zwar würden er und seine Freundin wohl tatsächlic­h zu viel Miete bezahlen: „Aber es ist zu wenig, als dass sich das Klagen auszahlt.“

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Ein lohnender Blick hinter die Fassaden: Altbaumiet­er zahlen oft zu viel, wissen aber zunehmend über ihre rechtliche­n Mittel Bescheid.

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