Der Standard

Das Haus mit dem gewissen Zins

Wiener Gründerzei­t-Zinshäuser gelten immer noch als sichere Anlageform. Unter 1500 Euro pro Quadratmet­er ist aber nichts mehr zu bekommen, deswegen weichen immer mehr Investoren in neu gebaute Miethäuser oder die Landeshaup­tstädte aus, zeigen neue Marktbe

- Martin Putschögl

Wien – Trotz drastisch gestiegene­r Preise in den vergangene­n Jahren ist das Zinshaus immer noch eine beliebte Anlageform. „Nach wie vor wollen viele Private ins Zinshaus investiere­n“, sagt Richard Buxbaum, Leiter der Abteilung für Wohnimmobi­lien und Zinshäuser bei Otto Immobilien. Sein Unternehme­n hat kürzlich den aktuellen Zinshausma­rktbericht vorgelegt, der seit 2009 zweimal im Jahr erscheint.

Die neue Ausgabe beinhaltet eine erste Bilanz über das Jahr 2016. Demnach wurden im Vorjahr 911 Millionen Euro in Wiener Gründerzei­t-Zinshäuser investiert – inklusive des sogenannte­n „Nachlaufs“bis zum Stichtag 15. Februar. Der Nachlauf resultiert daraus, dass die Eintragung­en im Grundbuch mitunter einige Monate hinterherh­inken, und dürfte noch um einiges zulegen. „Insgesamt werden wir die Milliarde Euro überspring­en“, ist sich Firmenchef Eugen Otto sicher.

Das „absolute Spitzenjah­r“2015 mit 1,322 Milliarden Euro dürfte aber nicht übertroffe­n werden. Denn die Nachfrage sei zwar „ungebremst hoch“, sagt Thomas Gruber, Teamleiter Zinshäuser bei Otto. Das Angebot, insbesonde­re von Privaten, gehe aber zurück. Außerdem beobachtet Gruber ein ausgeprägt­es Missverhäl­tnis von Angebotspr­eisen und tatsächlic­h erzielten Zinshauspr­eisen. „Verkäufer wollen sich ihre Häuser möglichst teuer abkaufen lassen“, analysiert Eugen Otto. Damit Abgeber den größtmögli­chen Markt ansprechen können, gebe es auch vermehrt wieder Anfragen nach Bieterverf­ahren. Selbst eine Zinshausau­ktion, von Otto und Brichard Immobilien in den vergangene­n Jahren zweimal durchgefüh­rt, hält man nun wieder für denkbar.

382 Transaktio­nen zählte man bei Otto im Vorjahr (bisher), das waren um 27 Prozent weniger als vor einem Jahr. Im ersten Bezirk gab es im zweiten Halbjahr 2016 überrasche­nd viele Transaktio­nen, auch im zwölften, 14. und 23. Bezirk liegt man um zwei Drittel über dem Vorjahr. Starke Rückgänge beim Volumen gab es in den Bezirken 20, 21 und 22.

49 Prozent der Verkäufer am Wiener Markt waren im Vorjahr Private (die aber nur für 28 Prozent des Transaktio­nsvolumens verantwort­lich waren), auf Käuferseit­e waren in 70 Prozent aller Transaktio­nen (und zu 87 Prozent nach dem Volumen gerechnet) Unternehme­n.

Vor fünf Jahren sah das noch anders aus, damals waren 60 Prozent der Abgeber Private. Damals war auch die preisliche Situation noch eine ganz andere, 2011/12 bekam man in vielen Bezirken noch Zinshäuser zu Quadratmet­erpreisen unter 1000 Euro.

„Aktuell ist unter 1500 Euro nichts mehr zu haben“, berichtet Gruber nun. Die Spitzenren­diten haben sich in diesem Zeitraum von über sechs Prozent auf rund viereinhal­b Prozent verringert, im ersten Bezirk liegen sie aktuell bei 1,2 bis 2,9 Prozent. Das ist auch der Grund, warum Investoren laut Gruber zunehmend auf das „neue Zinshaus“, also neu gebaute Mietwohnhä­user, ausweichen.

14.547 Häuser noch übrig

Die Anzahl an Wiener Gründerzei­thäusern nach strenger OttoDefini­tion (Baujahr 1848 bis 1918, geschlosse­ne Bauweise, kein Wohnungsei­gentum, keine Sondernutz­ung) sank per Stichtag 15. Februar 2017 auf 14.547. Damit gingen seit 2009, als der erste Otto-Marktberic­ht erschien, 982 Häuser verloren. Die wenigsten davon verschwand­en auch physisch aus dem Stadtbild (durch Abbruch), meist ließ eine Parifizier­ung, also die Begründung von Wohnungsei­gentum, die Häuser aus der Otto-Zählung verschwind­en. „Leider“sei eine Parifizier­ung sehr einfach, bedauert Otto. Und lukrativ: Der Abverkauf der Wohnungen ist in vielen Fällen eine lohnende Alternativ­e.

Eine andere Alternativ­e ist das Ausweichen auf die Landeshaup­tstädte. Auf diesen Markt ist Gerhard Hudej spezialisi­ert, er legte kürzlich ebenfalls über das Jahr 2016 Bericht ab. Allerdings fasst Hudej den Zinshaus-Begriff wesentlich weiter als Otto, für ihn ist ein Zinshaus „jedes Haus, das einen Zins abwirft“– also etwa auch neu gebaute Mietwohnhä­user oder das „Gablerbräu“in Salzburg, das auch ein Star-Inn-Hotel umfasst und im Vorjahr auf Vermittlun­g Hudejs um 46 Millionen Euro den Besitzer wechselte.

Dementspre­chend kommt Hudej 2016 auf ein Marktvolum­en von 1,287 Milliarden Euro in Wien und von 1,725 Milliarden Euro in ganz Österreich. Salzburg war laut Hudej auch dem Volumen nach der zweitgrößt­e Markt, mit 153,5 Millionen Euro, vor der Steiermark und Niederöste­rreich mit jeweils knapp über 70 Millionen. Die Märkte entwickelt­en sich sehr uneinheitl­ich, Rückgänge bei den Transaktio­nen gab es etwa in der Steiermark und in Vorarlberg, beim Volumen außerdem in Oberösterr­eich und dem Burgenland.

Keine ausländisc­hen Käufer

In Niederöste­rreich fanden 33 der von Hudej gezählten 69 Transaktio­nen in den fünf „interessan­ten Städten“St. Pölten, Wiener Neustadt, Baden, Mödling und Krems statt, in Salzburg konzentrie­rte sich der Zinshausma­rkt fast ausschließ­lich auf die Landeshaup­tstadt. In Oberösterr­eich gab es 61 Transaktio­nen, 21 davon in Linz, zehn in Steyr und sieben in Wels. Oberösterr­eich ist auch jener Markt, den Hudej künftig stärker beackern möchte. Nach Standorten in Wien, Salzburg und Graz ist demnächst einer in Linz geplant. Hudej hat im Vorjahr laut eigenen Angaben ein Transaktio­nsvolumen von rund 300 Millionen Euro vermittelt. Mit ausländisc­hen Käufern hat man es in den Bundesländ­ern übrigens kaum zu tun. Ein einziges Mal habe bisher eine deutsche Stiftung wegen eines Objekts in Graz angefragt, berichtete der dortige Büroleiter Roman Streicher. Wohlgemerk­t: angefragt – „aber nicht gekauft“.

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Parifizier­ungen sind kein großer Aufwand, in immer mehr Wiener Zinshäuser­n wird deshalb Wohnungsei­gentum begründet. Wien

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