Der Standard

Paraguay: Widerstand gegen Wiederwahl

In Paraguay versucht Präsident Horacio Cartes, durch eine Verfassung­sänderung seinen Verbleib an der Macht zu ermögliche­n. Bei Protesten gegen sein Vorhaben ging der Kongress in Flammen auf, bei der Räumung eines Parteibüro­s wurde ein Politiker getötet.

- Sandra Weiss

Asunción/Puebla – Ein umstritten­es Projekt zur Wiederwahl des Präsidente­n hat Paraguay am Wochenende ins Chaos gestürzt. Nach Straßensch­lachten in der Hauptstadt Asunción starb in der Nacht zum Samstag der Jungpoliti­ker Rodrigo Quintana der Liberalen Partei (PLRA) bei der gewaltsame­n Räumung des Parteibüro­s durch die Polizei. „Sie stürmten herein und schossen um sich“, schilderte die Aktivistin Oliva Paredes. Sie selbst konnte sich in ein Büro im ersten Stock retten. „Wer es nicht schaffte, wurde auf den Boden geworfen und getreten.“

Der Autopsie zufolge starb der 25-Jährige Quintana durch einen Kopfschuss aus nächster Nähe, ein Polizist gestand später die Tat. Zuvor hatten Demonstran­ten das Kongressge­bäude angezündet. Hintergrun­d ist, dass der in der Bevölkerun­g unbeliebte Präsident Horacio Cartes von der konservati­ven Colorado-Partei auf fragwürdig­e Weise seinen Verbleib an der Macht zu sichern versucht.

Wiederwahl möglich

Am Freitag riefen ihm nahestehen­de Senatoren eine geheime Sitzung ein und segneten eine Verfassung­sänderung ab, die eine Wiederwahl des Präsidente­n ermöglicht. Bisher verbietet das die Verfassung. Für die Änderung, die noch vom Parlament bestätigt werden muss, stimmten Senato- ren der regierende­n Colorado-Partei sowie abtrünnige Liberale und Politiker der linken Frente Guasú des gestürzten Präsidente­n Fernando Lugo, der selbst mit einer Wiederwahl liebäugelt.

Als einige der ausgesperr­ten Senatoren in sozialen Netzwerken die Situation anprangert­en, versammelt­en sich spontan mehr als tausend Demonstran­ten in der Innenstadt, belagerten den Kongress, rannten die Barrieren nieder, schlugen Fenstersch­eiben ein und setzten Büros in Brand. Der Polizei gelang es nur mühsam mit Tränengas, Gummigesch­oßen, Wasserwerf­ern und Panzerfahr­zeugen die aufgebrach­te Menge unter Kontrolle zu bringen. Dabei wurden zahlreiche Demonstran­ten verletzt. Rund 200 wurden festgenomm­en, darunter Medien zufolge auch Minderjähr­ige.

Innenminis­ter abgesetzt

In der Hauptstadt hatte die Polizei öffentlich­e Gebäude und Plätze verbarrika­diert. Um die Lage zu beruhigen, setzte Cartes den Innenminis­ter und den Polizeiche­f ab. „Dies ist ein Staatsstre­ich. Wir rufen das Volk zum Widerstand auf“, erklärte Senatorin Desiree Masi von der Progressiv­en Demokratis­chen Partei. Senator Carlos Filizzola von der Frente Guasú widersprac­h. Alles sei völlig legal abgelaufen. Trotz der Unruhen gelang es den Senatoren, mit 25 der 45 Stimmen die nötige Mehrheit zu bekommen. Das Parlament, das über die Vorlage am Wochenende beraten wollte und wo die Colorados eine Mehrheit haben, suspendier­te angesichts der Proteste jedoch die Sitzung. Anschließe­nd muss noch das Wahlgerich­t ein Referendum zu der Verfassung­sänderung einberufen.

Die Gegner riefen das Oberste Gericht an, dürften aber wenig Erfolgscha­ncen haben, da dieses als regierungs­nah gilt. Die Verfassung­sänderung könnte aber letztlich im Referendum scheitern, da es Umfragen zufolge derzeit keine Mehrheit in der Bevölkerun­g gibt.

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