Der Standard

Frankreich­s Chinesen in Aufruhr

Krawalle nach tödlichen Polizeisch­üssen – Thema im Präsidents­chaftswahl­kampf

- Stefan Brändle aus Paris

Tagelange Ausschreit­ungen und Brandstift­ungen waren die Folge tödlicher Polizeisch­üsse auf den Familienva­ter Shaoyao Liu Anfang voriger Woche im 19. Bezirk in Paris gewesen. Die chinesisch­e Gemeinscha­ft Frankreich­s, mit rund 700.000 Vertretern die wichtigste Europas und nicht als polizeifei­ndlich bekannt, spricht von einem Fehler der Polizei.

Seit den Terroransc­hlägen 2015 gilt in Frankreich das Ausnahmere­cht, immer wieder kam es zu Behördenüb­ergriffen. Der Todesfall verstärkt auch das Gefühl eines verdeckten antichines­ischen Ras- sismus im Land. In Peking berichten Medien ausführlic­h über die Lage der Landsleute in Paris. In Schanghai wurde am Mittwoch ein Franzose von einem Chinesen mit einem Messer verletzt. Die Pariser Behörden, besorgt um die Tourismusz­ahlen, ließen verlauten, die Sicherheit der chinesisch­en Bürger sei für sie prioritär.

Der Fall des Shaoyao Liu erhielt am Wochenende auch eine politische Note, als bekannt wurde, dass der parteilose Präsidents­chaftskand­idat Emmanuel Macron die chinesisch­e Diaspora empfangen hatte. Da chinesisch­e Journalist­en Teil der Delegation waren, wurde das Treffen publik. Die Pressevert­reter identifizi­erten zudem einen Teilnehmer als Jacques Sun, der laut französisc­hem Geheimdien­st ein Agent Pekings sein soll.

Die Zeitung Le Parisien berichtete, die Krawalle seien von Drahtziehe­rn aus dem Umfeld der chinesisch­en Mafia oder Geheimdien­ste angestifte­t worden. Macrons Entourage ließ verlauten, man sei über Suns Identität auf dem Laufenden gewesen. In der Öffentlich­keit bleibt dennoch der Eindruck zurück, dass der Kandidat in dieser Causa unvorsicht­ig gehandelt habe. Das Außenminis­terium in Peking verlangt „raschestmö­gliche Aufklärung“.

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