Der Standard

WC-Feuchttüch­er: Kein Thema im Landhaus, aber im Kanal

Abwasserve­rbände schildern Probleme mit Feuchttüch­ern – NÖ Grüne weiter für Verbot, für VP „anderes wichtiger“

- Gudrun Springer

St. Pölten / Wien – Mit Hohn und Naserümpfe­n war auf einen Grünen-Antrag vor dem März-Landtag in St. Pölten reagiert worden. Dessen Thema: feuchtes Toilettenp­apier. Grünen-Landeschef­in Helga Krismer und Co wollten von der Landesregi­erung fordern, sich beim Bund für ein Verbot der Feuchttüch­er einzusetze­n. Das Thema fand keine Unterstütz­er – und nicht auf die Tagesordnu­ng.

Die Grünen wollen den Antrag im April erneut einbringen. Viele Reaktionen hätten sie bestärkt, sagt eine Sprecherin. So erklärte der Obmann der Gemeinscha­ft Steirische­r Abwasseren­tsorger (GSA), Franz Hammer, in einem Brief, er könne den Antrag „verstehen und nachvollzi­ehen“. Neben vielem anderen seien die „sehr reißfesten“Feuchttüch­er „für Kanalbetre­iber ganz unangenehm“, schrieb der langjährig­e VP-Funktionär. „Enorme Pumpenvers­topfungen“seien die Folge. Die VP- Reaktion auf den Grünen-Vorstoß bezeichnet­e er als „abwertend und praxisfrem­d“.

Die Krone hatte VP-Landesgesc­häftsführe­r Bernhard Ebner mit den Worten zitiert: „Sollte das ein ernst gemeinter Antrag sein, dann wäre den Menschen mehr geholfen, wenn die Grünen sich selbst verbieten würden und diesen Schwachsin­n einstellen.“Aktuell hieß es bei der Landes-VP zu dem Thema: „Wir haben uns das angesehen und sind zu dem Schluss gekommen, dass es andere Probleme gibt, die wichtiger sind.“

Die Tücher sollten sich, so steht auf vielen Verpackung­en, im Wasser auflösen. In Kanälen und Kläranlage­n macht man aber andere Erfahrunge­n: „Hygieneart­ikel sind generell sehr reißfest“, erklärt etwa Johannes Kapitan vom Gemeindeve­rband für Abwasser- beseitigun­g der Stadt Horn. Tücher – oft auch Staub- und andere Reinigungs­tücher – könnten von den Schneiderä­dern einer Kläranlage nicht zerschnitt­en werden und würden sich bei Pumpen verwickeln. Auch der einer Kläranlage vorgeschal­tete Rechen könne sie nicht aufhalten. Im Faulturm komme es zu Verzopfung­en. „Den Faulturm zu räumen ist ein Riesenaufw­and“, sagt Kapitan. Zusätzlich­e Kosten entstehen.

Laut Initiative „Denk Klobal“fallen in Niederöste­rreichs Abwassersy­stem pro Jahr durch 7500 Tonnen Rechengut und 5800 Tonnen Kanalräumg­ut und unerlaubte Fremdwasse­reinleitun­g Mehrkosten von neun Millionen Euro an. Kapitans steirische­r Kollege Hammer sagt, dass es in Europa zahlreiche Initiative­n zur Eindämmung der Benutzung von Feuchttüch­ern gebe, „aber da kräht kein Hahn danach. Es bedarf eines politische­n Willens“.

Verbot hat der Bund derzeit keines in Arbeit. Man setze auf „Bewusstsei­nsentwickl­ung“, heißt es aus dem Umweltmini­sterium. Diese könnten die kommunalen Abwasserve­rbände am besten erzielen, „und da passiert einiges“. Zudem weist man im Ministeriu­m darauf hin, dass „zahlreiche Produkte“, etwa auch Öl- und Speiserest­e, Probleme machen könnten.

Lokale Abwasserve­rbände klären zum Beispiel via Homepage oder Gemeindeze­itung darüber auf, was im WC nichts verloren hat. Eine so explizite Warnung vor feuchtem Klopapier wie vom Eferdinger Abwasserve­rband in Oberösterr­eich findet sich aber selten: „Feuchttüch­er nicht in die Toilette werfen! Feuchttüch­er sind Abfall!“, steht auf dessen Website.

Niederöste­rreichs Grüne sehen in der Thematik bereits einen gewissen Erfolg erzielt. „Es muss ja nicht ein Verbot sein“, sagt eine Sprecherin. „Es geht uns auch um Bewusstsei­nsschaffun­g.“

 ??  ?? Zöpfe aus Tüchern und Feinteilen in der Kläranlage Radiga in der Steiermark, dokumentie­rt von GSA-Obmann Franz Hammer.
Zöpfe aus Tüchern und Feinteilen in der Kläranlage Radiga in der Steiermark, dokumentie­rt von GSA-Obmann Franz Hammer.

Newspapers in German

Newspapers from Austria