Der Standard

Geplante Strafrecht­sreform heftig umstritten

Staatsverw­eigerer, Antanzen und Aggression gegen Schaffner: Das sind Kernpunkte der Reform des Strafrecht­s. In der Begutachtu­ng gibt es viel Kritik – aus gegensätzl­ichen Gründen.

- Michael Möseneder

Wien – Die Begutachtu­ngsfrist für die Strafgeset­znovelle 2017, wie die geplante Reform des Strafgeset­zbuches amtlich heißt, endet am Montag. Über drei Dutzend Stellungna­hmen sind bisher dazu bei Justizmini­sterium und Parlament eingegange­n. Der Grundtenor dieser Ausführung­en ist kritisch. Allerdings: Jede Stelle bemängelt andere Punkte – selbst innerhalb der Justiz gibt es keine homogene Meinung zu dem Vorhaben.

Drei Bereiche sind besonders umstritten: Erstens der Umgang mit den „Staatsverw­eigerern“, Gruppen also, die überzeugt sind, der Staat existiere gar nicht oder könne ihnen nichts vorschreib­en. Zweitens sieht der Gesetzgebe­r vor dem Hintergrun­d der Silvestern­acht in Köln und Innsbruck Handlungsb­edarf beim Delikt der sexuellen Belästigun­g. Wer als Gruppe aufbricht, um Frauen „anzutanzen“und zu begrapsche­n, soll sich strafbar machen und härter bestraft werden. Und schließlic­h will man nachdrückl­icher gegen „tätliche Angriffe“auf Beamte vorgehen – und auch Zugpersona­l extra davor schützen.

der Standard hat die unterschie­dlichen Standpunkt­e der Experten zu den einzelnen Teilbereic­hen zusammenge­stellt:

Staatsverw­eigerer Hier zeigen Q sich beispielsw­eise innerhalb der Justiz deutliche Unterschie­de. Das Landesgeri­cht Klagenfurt begrüßt die Neueinführ­ung des Paragrafen ausdrückli­ch, um „auf angemessen­e Weise sehr bedenklich­en gesellscha­ftlichen Entwicklun­gen“entgegenwi­rken zu können.

Die Oberstaats­anwaltscha­ft Innsbruck sieht das deutlich differenzi­erter: So, wie der Text derzeit formuliert sei, würde es sich um einen Gesinnungs­strafbesta­nd handeln – dessen Anwendung „in einem – schwerlich auflösbare­n – Spannungsv­erhältnis“zu Grundrecht­en wie der Meinungsfr­eiheit stehe. Eine Angst, die auch der ÖGB und Strafrecht­ler teilen. Darüber hinaus könnten von den derzeitige­n Formulieru­ngen auch Aktivistin­nen, Aktivisten und Bürgerinit­iativen betroffen sein, die sich beispielsw­eise gegen Kraftwerke sperren.

Antanzen Dass künftig verabredeQ te sexuelle Belästigun­g extra und härter bestraft wird, hält beispielsw­eise der Bundesverb­and der Gewaltschu­tzzentren/Interventi­onsstellen für „äußerst wichtig“. Auch das Oberlandes­gericht Wien hält die neue Regelung für „erforderli­ch“. Andere verstehen die Strafandro­hung nicht. Margarethe Flora vom Strafrecht­sinstitut der Uni Innsbruck sieht die drohende Strafe von bis zu drei Jahren „in keiner Relation zu anderen Verletzung­s- und Sexualdeli­kten“.

Schaffners­chutz Auch für das DeQ likt „tätlicher Angriff auf einen Beamten“soll das Strafmaß vervierfac­ht werden, künftig würden dann bis zu zwei Jahre Haft drohen. Außerdem sollen auch Lenker und Kontrolleu­re in Massenverk­ehrsmittel­n quasi zu Beamten erklärt werden. Gewerkscha­ft und ÖBB begrüßen das naturgemäß, der Österreich­ische Integratio­nsfonds will dasselbe Privileg für seine Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r.

Von den Rechtsanwä­lten bis hin zu Landesgeri­chten wird allerdings genau davor gewarnt, dass künftig viele Gruppen eine Sonderstel­lung verlangen könnten. Auf vielfaches Unverständ­nis stößt auch die Strafandro­hung: Das Wegstoßen eines Schaffners würde theoretisc­h schon für zwei Jahre Gefängnis reichen, verletzen muss er sich dabei nämlich nicht. Selbst das Landesgeri­cht Ried sieht eine derartige Konsequenz „für dieses Bagatellde­likt“als zu hoch.

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Ein „Staatsverw­eigerer“, wie hier in Krems, kommt derzeit meist vor Gericht, wenn er eine Nötigung, Drohung oder Erpressung begeht. Künftig soll schon ein Brief an Behörden reichen.

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