Der Standard

„Müssen Kosten verringern, nicht unsere Identität“

Walter Rothenstei­ner, Raiffeisen-Generalanw­alt und Exchef der RZB, hält weitere Bankfusion­en im Sektor für entbehrlic­h. Der Aufsicht in Frankfurt ordnet er „einen klaren Auftrag“zu.

- INTERVIEW: Renate Graber

Standard: Sie verlassen nach 22 Jahren die Raiffeisen Zentralban­k (RZB), genauer gesagt, hat sich die durch die Fusion mit der Raiffeisen Bank Internatio­nal (RBI) aufgelöst. Die Raiffeisen­banker haben sich noch nicht geeinigt, wie die Sektoraufg­aben aufgeteilt werden, die bislang die RZB erfüllt hat. Sie hinterlass­en eine offene Baustelle? Rothenstei­ner: Baustelle kann man nicht sagen, da es die Funktion hier einfach nicht mehr gibt. Also muss man etwas Neues schaffen. Die Gespräche laufen, in zwei Monaten wird das erledigt sein.

Standard: Geplant ist eine Genossensc­haft für die sektorweit­en Dienstleis­tungen wie Recht, Compliance oder Marketing. Es gibt aber Machtkämpf­e: Die Raiffeisen Landesbank (RLB) NÖ Wien ist dagegen, dass RLB-OÖ-Chef Heinrich Schaller Obmann wird. Rothenstei­ner: Da halte ich mich raus, ich halte mich auch aus den Sitzungen raus ...

Standard: In der letzten waren Sie. Rothenstei­ner: In der Vormittags­sitzung war ich, in der Nachmittag­ssitzung dann nicht mehr. Wenn es früher etwas Sektorüber­greifendes zu tun gab, war es klar, dass das die RZB macht. Die RBI aber ist ein börsennoti­ertes Institut mit Streubesit­z, muss sich auf ihr Geschäft konzentrie­ren. Der Sektor muss also entscheide­n, wer welche Rolle übernimmt. Das ist halt noch nicht erledigt.

Standard: Warum? Die Fusion kam doch nicht plötzlich. Rothenstei­ner: Wichtig ist, dass einmal die Fusion klaglos erledigt wurde. Jetzt müssen einmal alle durchatmen.

Standard: Beim Streit um die Arbeitsauf­teilung zeigt sich ein Machtkampf: Raiffeisen OÖ und Steiermark gegen das einst so mächtige Ostösterre­ich. Rothenstei­ner: Selbststän­dige, dezentrale Genossensc­haften und Organisati­onen sind eben nicht immer einer Meinung. So what? Die drei großen Landesbank­en NÖ, Wien, Oberösterr­eich und Steiermark halten die Hauptbetei­ligung an der RBI, dass ihre Chefs daher eine wichtige Rolle spielen im Sektor ist klar. Aber wir sind Genossensc­haften, da müssen alle eine Rolle haben. Das muss man sich halt ausschnaps­en.

Standard: 2018 endet auch Ihre Funktion als Raiffeisen-Generalanw­alt. Ihr Vorgänger Christian Konrad ist schon weg, RBI-Exchef Karl Sevelda geht im Juni. Wie mächtig ist Raiffeisen noch? Rothenstei­ner: Bei Raiffeisen wird man immer nach Macht gefragt, da sträuben sich mir die Nackenhaar­e. Von dem, was Sie Macht nennen, ist ein Teil Netzwerken. Und das betreiben wir alle drei nach wie vor. Raiffeisen bleibt eine starke Organisati­on im Land. Die funktionie­rt, wenn viele dabei sind und in ihrem Wirkungsbe­reich gut arbeiten, und nicht, wenn da einer sitzt, der groß redet.

Standard: „Von dir lass ich mich nicht verstaatli­chen“: Mit diesem Satz an einen Notenbanke­r hat Raiffeisen-Chef Konrad 2009 sehr klar gemacht, was er von der Bankenbete­iligung des Staates durch PS-Kapital hält. Das Kapital mussten Sie aber trotzdem nehmen. Rothenstei­ner: Ja, natürlich haben wir immer unsere Positionen vertreten. Aber es ist halt nicht so, dass etwas nicht stattfinde­t, weil Raiffeisen Nein sagt; das ist ein Märchen. Aber: G’sagt haben wir’s. Und an unserem PS-Kapital hat die Republik verdient.

Standard: Sie haben jüngst gemeint, dass Banker seit der Finanzkris­e grundsätzl­ich diskrimini­ert werden. Glauben Sie das wirklich? Rothenstei­ner: Schauen Sie nur, wie sehr die persönlich­en Strafrahme­n für Banker erhöht wurden, das gibt es in keiner anderen Branche. Irgendwann werden wir kein Personal mehr finden. Ich will nicht wie Trump alle Vor- schriften für Banken kippen, vieles an der Regulierun­g passt ja. Aber zum Teil ist sie überzogen, etwa wenn Bankmanage­r der Aufsicht in Frankfurt Stundenauf­stellungen zu ihren Tätigkeite­n in Beteiligun­gsgesellsc­haften schicken müssen. Oder, wenn wir ab 2018 Daten aller Kommerzkre­dite über 25.000 Euro tagesaktue­ll übermittel­n müssen – das sind allein fünf Millionen Kredite bei uns, es gibt aber 140 von der EZB beaufsicht­igte Banken in der EU. Was machen die mit den Daten? Statistike­n – und das kostet die Institute in Summe dreistelli­ge Millionen- beträge. Ich gebe zu: Vorher war die Aufsicht ein bisserl zu locker, jetzt wird das Geschäft langsam verunmögli­cht.

Standard: Raiffeisen hat keine Fehler gemacht? Sie selbst sagen, Sie seien im Osten „vielleicht zu schnell gewachsen“, die Krise habe Sie dann gebremst. Hätte Sie nicht die Vernunft bremsen sollen? Die RBI hat jahrelang an jedem Wochentag eine Filiale eröffnet. Rothenstei­ner: Hätten wir in der Zeit nicht im Osten expandiert, hätten wir es nachher nie wieder tun können. Das war unser Zeitfenste­r. Ich habe daher Verständni­s, dass man mit Risiko hingegange­n ist. Und als es uns schlechtgi­ng, hatte das nur externe Gründe wie Ukraine-Krieg oder Orbáns Kurs in Ungarn. Verlust haben wir nur einmal, 2014, geschriebe­n – aber jeder tut, als wäre die RBI eine marode Bank.

Standard: Die Bank laboriert aber nach wie vor an notleidend­en Krediten (non perfoming loans; NPL), musste ihr Kapital entlasten und massiv schrumpfen. Rothenstei­ner: Ja. Ende 2016 hatten wir eine NPL-Rate von 8,74 Prozent (berechnet für die fusioniert­e Bank; Anm.), davon sind aber drei Viertel bevorsorgt und besichert. Und: Bankgeschä­ft ist definition­sgemäß mit Risiko verbunden.

Standard: Sie waren 44 Jahre bei Raiffeisen. Was in Ihrer Laufbahn hätten Sie besser nicht getan? Rothenstei­ner: Ich hätt nicht so viel essen sollen. Sonst bin ich froh und dankbar, dass es so gelaufen ist. Die Krise ist vorbei, die Bank steht auch kapitalmäß­ig gut da – idealer Zeitpunkt zu gehen. Auch die Aufsicht EZB schläft ruhiger.

Standard: Mit den neuen Aufsehern in Frankfurt hatten Sie zunächst kein gutes Einvernehm­en? Rothenstei­ner: Doch, ich schon. Unsere direkten Supervisor­en sind schwer in Ordnung, aber die Aufsicht in der EZB hat halt einen klaren Auftrag. Sie meint, dass es in Europa zu viele Banken gibt.

Standard: Apropos. Ex-RBI-Chef Sevelda meint, weitere Zusammensc­hlüsse wären für Raiffeisen wünschensw­ert. Was sagen Sie? Rothenstei­ner: Ich bin nicht so progressiv. Jetzt ist einmal ein Schritt erfolgt, der Nächste muss sein, dass die Landesbank­en gemeinsam weniger Geld ausgeben. Es macht Sinn, dass es in jedem Bundesland Entscheidu­ngsträger gibt. Damit sind wir immer gut gefahren. Wir müssen die Kosten verringern, nicht unsere Identität.

Standard: Apropos Identität. Sie lieben Oper, lieben Musik. Was ist das Schöne dran? Rothenstei­ner: Dass man beim Zuhören nicht übers Geschäft nachdenkt.

Standard: Hätten Sie gern einen Job in der Musikbranc­he gehabt? Rothenstei­ner: Dirigieren gefällt mir. Aber dafür ist es zu spät.

WALTER ROTHENSTEI­NER (64) war 1995 bis 18. März Chef der Raiffeisen Zentralban­k. Er verbrachte sein gesamtes Berufslebe­n im Sektor, 2012 wurde er Generalanw­alt des Raiffeisen­verbands, das bleibt er noch bis Mitte 2018. Bis 2015 war er Obmann der BankenSpar­te der Wirtschaft­skammer. Als Banker geht der Opernfan nun in Pension.

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Der langjährig­e Chef der Raiffeisen Zentralban­k, Walter Rothenstei­ner, meint, dass sich die streitende­n Landesbank­er die neue Machtverte­ilung im Sektor bald ausgeschna­pst haben werden.

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