Der Standard

Flughafen-Urteil beruht auf „Fehler des Gesetzgebe­rs“

Verfassung­sjurist Merli: Richter mussten entscheide­n

- Eric Frey

Wien – Seit das Bundesverw­altungsger­icht im Februar den Bau der dritten Piste am Flughafen Wien untersagt hat, weil dies den Klimaschut­z gefährde, werfen Kritiker den Richtern Anmaßung vor. Auch Franz Merli, Professor für Staats- und Verwaltung­srecht an der Universitä­t Wien, hält das Urteil für eine zwar gut begründete, aber in seinem Wesen politische Entscheidu­ng. Doch die drei Richter hätten bloß das ausgeführt, wozu sie vom Gesetz verpflicht­et worden seien, sagte Merli beim Jus-Alumni-Frühstück mit Absolvente­n des Juridicums in der Redaktion des Standard: „Das ist ein Fehler des Gesetzgebe­rs.“Er und andere Kollegen hätten vor dieser Entwicklun­g im Vorfeld der Verwaltung­sgerichtsb­arkeit-Novelle 2012 gewarnt.

Vor der Reform hätten Verwaltung­sgerichte Entscheidu­ngen der Behörden nur kontrollie­rt und bei Fehlerhaft­igkeit an diese zurückverw­iesen; nun aber müssten sie selbst entscheide­n. Ziel war es, die Verfahren dadurch zu beschleuni­gen, doch der Gesetzgebe­r habe übers Ziel geschossen.

Dieser Auftrag an die Richter sei bei Entscheidu­ngen, die an klare Vorgaben gebunden sind, oder bei der Festsetzun­g von Strafen kein Problem. Doch wenn es um Naturoder Klimaschut­z geht, müssen die Richter nun verschiede­ne Interessen gegeneinan­der abwägen; das sollten laut Merli eigentlich gewählte Politiker tun.

Vages Luftfahrtg­esetz

Das sei bei der Causa Flughafen besonders schwierig, weil im § 71 Luftfahrtg­esetz von 1957 nur vage steht, ein Bauvorhabe­n sei zu bewilligen, wenn ihm „sonstige öffentlich­e Interessen nicht entgegenst­ehen.“Beim Klimaschut­z sei ein öffentlich­es Interesse legitim argumentie­rbar; ob wirtschaft­liche Interessen überwiegen, sei eine reine Abwägungsf­rage. Der VwGH könne dies in der Berufung nur schwer infrage stellen; er müsste andere Fehler in der Entscheidu­ng finden, um das Urteil noch umzudrehen.

Solche grundsätzl­ichen Abwägungen sollten jedoch nicht Verwaltung­sgerichte vornehmen, meint Merli: „Das ist eine im Sinne der Gewaltente­ilung problemati­sche Situation.“Auch in Deutschlan­d ist vorgesehen, dass Richter eine solche Causa an die Behörde zurückverw­eisen. Merli empfiehlt eine Reparatur des Gesetzes, damit das in Zukunft auch in Österreich geschieht.

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