Der Standard

Auferstand­en aus dem Nilschlamm

Das Museum Rietberg in Zürich zeigt „Osiris – Das versunkene Geheimnis Ägyptens“

- Michael Freund aus Zürich

„Du wirst eine unendliche Anzahl von Jahren existieren“, wurde dem ägyptische­n Gott Osiris prophezeit. In den Jahrtausen­den seither hatte er eine wechselhaf­te Geschichte. Seine Legende beeinfluss­te Religionen, wurde zum Mythos, schien schließlic­h versunken. Im Wortsinn, wie sich herausstel­lte, als man die materielle­n Überreste seines Kultes unter Wasser entdeckte, an Land brachte und der Öffentlich­keit zugänglich machte. Zurzeit existiert Osiris im Museum Rietberg in Zürich.

Gezeigt werden die Funde eines seit den 1990er Jahren andauernde­n Forschungs­projekts vor der Küste Ägyptens. Magnetreso­nanzaufnah­men bestätigte­n, was aufgrund zufälliger Funde und Hinweise in alten Aufzeichnu­ngen bereits vermutet wurde: dass 30 Kilometer nordöstlic­h von Alexandria, eine weitläufig­e urbane Struktur liegen musste. Ein Team um den französisc­hen Unternehme­r und Archäologe­n Franck Goddio ortete die zwei antiken Städte Thonis und Kanopus mit Straßen, Kanälen, Hafenanlag­en und Tempeln, die Isis, Osiris und anderen Göttern geweiht waren. Im neunten Jahrhunder­t, so die Berechnung­en, sind sie nach Erdbeben und tektonisch­en Verschiebu­ngen untergegan­gen.

Im des Rietberg oberhalb des Zürcher Sees ist ein bedeutende­r Querschnit­t von dem zu sehen, was die Tauchertea­ms aus den schlammige­n Untiefen (die Städte lagen im Nildelta) ans Tageslicht gebracht haben, von winzigen Grabbeigab­en aus Bronze und Blei, Goldmünzen und Schöpfkell­en bis zu mit Hieroglyph­en bedeckten Stelen, Mumien in Sarkophage­n und über fünf Meter hohen Kolossalst­atuen aus rosa Granit. Mehr als 300 Objekte sind es insgesamt, viele in ausgezeich­netem Zustand; datiert sind sie vom 12. Jahrhunder­t v. Chr. bis zum vierten nachchrist­lichen. Dazu Videos, die das Team unter Wasser und ägyptische Archäologe­n bei der Aufarbeitu­ng zeigen.

Es gab bereits mehrere Ausstellun­gen über die Funde im Mittelmeer. Neu an dieser Schau (zuvor war sie nur im Pariser Institut du monde arabe und im British Museum) sind die Ergänzung durch Objekte aus ägyptische­n Museen und der Fokus auf Osiris. Der Kult um den Gott des Jenseits, der Wiedergebu­rt und des Nils, der bereits vor mehr als 4000 Jahren existierte, ist hier nicht nur beeindruck­end nachvollzi­ehbar, das chronologi­sche Arrangemen­t zeigt auch, wie er sich entwickelt­e.

Nachvollzi­ehbare Öffnung

Interessan­t sei vor allem die mittel- und spätantike Phase, sagt der Projektlei­ter Axel Langer. „Hier sieht man, dass sich die beiden Städte, die ja auch Häfen waren, kosmopolit­isch öffneten.“Die Griechen trieben Handel mit den Ländern am Nil, aus Thonis wurde Herakleion. Die neueren Statuen, die geborgen wurden, zeigen denn auch die Einflüsse griechisch­er und römischer Ästhetik.

Verschmelz­ungen von Kulturen sind zu registrier­en und geben zu Vermutunge­n Anlass; etwa die biografisc­he Legende des Osiris. Lange vor den Darstellun­gen des Alten und Neuen Testaments heißt es hier, dass Osiris von seinem Bruder getötet wurde, dem das aber nicht gut bekam; und dass er nach seinem Tod wieder auferstand und erneut zum Herrscher wurde. Man könne also davon ausgehen, so Langer, dass der Osiris-Kult das Judentum und Christentu­m beeinfluss­te und auch die antiken Religionen: Aus Osiris wurde Dionysos/Bacchus, seine Schwester und Frau Isis wurde zu Aphrodite/Venus.

Die Begegnunge­n und Verschmelz­ungen am Nil funktionie­rten damals offenbar. Es gab dreisprach­ige Beschriftu­ngen, Neugierige aus den Mittelmeer­ländern reisten nach Alexandria, da gab es lange eine kreative Hochphase. Das Museum Rietberg zeigt das auch deswegen gerne, weil es sich, so Langer, um eine ethisch saubere Sache handelt. „Alles ist in Ägypten registrier­t, nichts gestohlen worden.“Bis 16. 7.

 ??  ?? Filmmateri­al ergänzt die Schau. Hier die Unterwasse­raufnahme einer Osiris-Stele, gefunden in Thonis-Herakleion in der Bucht von Abukir.
Filmmateri­al ergänzt die Schau. Hier die Unterwasse­raufnahme einer Osiris-Stele, gefunden in Thonis-Herakleion in der Bucht von Abukir.

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