Der Standard

KOPF DES TAGES

Einer, der glaubt, unverzicht­bar zu sein

- Adelheid Wölfl

In den vergangene­n Tagen sah man in ganz Serbien seine Initialen in Rot und Blau auf dem weißen Grund der Plakate: AV wird in den Nationalfa­rben als alternativ­los porträtier­t. Sämtliche Zeitungen waren mit Wahlwerbun­g für den Premier auf dem Weg ins Präsidente­namt ummantelt. Aleksandar Vučić ist omnipräsen­t. Doch der Chef der stimmenstä­rksten Fortschrit­tspartei nutzte nicht nur seinen Bonus als Regierungs­chef, sondern sieht sich selbst tatsächlic­h als unentbehrl­ich und stellt sich als Retter Serbiens und Garant für die Stabilität in der Region dar.

In einer Mischung aus Sendungsbe­wusstsein und dem lange erlernten Wissen, wie man Kontrolle und Macht aufbaut und ausübt, ist der zweifache Familienva­ter kurz vor seinem ersehnten Ziel. Es ist zu erwarten, dass er als Staatschef auch „heimlicher Premier“bleiben und über die Partei die Fäden in den Institutio­nen in der Hand behalten wird. Wie kein anderer hat es der 47-Jährige geschafft, sein Image vom Nationalis­ten zum „Macher“zu wandeln. Er genießt nicht nur das Vertrauen der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, sondern auch jenes der EU-Kommission.

Vučić ist zugutezuha­lten, dass er seine Rhetorik gezügelt und insbeson- dere im Verhältnis zu Bosnien-Herzegowin­a seiner völkischen Ideologie abgeschwor­en hat. In seinen jungen Jahren war er noch als „Journalist“für die ultranatio­nalistisch­en Tschetniks von Vojislav Šešelj im Krieg. Heute versucht Vučić, ein gutes Verhältnis zu Bosnien-Herzegowin­a zu unterhalte­n.

Gleichzeit­ig aber – Vučić war von 1998 bis 2000, also in den Milošević-Jahren, Informatio­nsminister – arbeitet er geschickt mit der brutalen Regenbogen­presse zusammen, um die nationalen Gefühle zu nutzen. Nicht nur im Verhältnis zum Kosovo spielt er den Opferberei­ten. Der Workaholic, der viel zu wenig schläft, stellt sich gern als „Balkan-Typ“dar, entspricht aber keinem der Klischees.

Seit Jahren setzt er eine harte Austerität­spolitik durch. Vučić hat, seit er 2014 Premier wurde, Pensionen und Gehälter im öffentlich­en Sektor gekürzt und das Defizit gedrückt. Doch es fehlt nach wie vor an Strukturre­formen und an Transparen­z. Weil er die Medien dominiert, kann er sich aber exzellent verkaufen. Interessan­t ist, dass sich der Mann, der bei Kritik sofort in die Offensive geht, geopolitis­ch eher Richtung EU als Russland orientiert. Deshalb hatte ihn Wladimir Putin noch kurz vor der Wahl nach Moskau bestellt.

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Foto: Reuters Aleksandar Vučić dominierte die Präsidents­chaftswahl in Serbien.

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