Der Standard

Kopfgeldjä­ger im Parlament

- Lisa Nimmervoll

Im Fußball wird wenigstens mit offenen Karten gespielt und in fixen „Transferfe­nstern“oder klar definierte­n „Wechselper­ioden“von einem zum anderen Klub gehüpft. Verhandlun­gspoker und üppige Ablösegeld­er inklusive. Alle wissen es, das sind die Regeln, das ist das Spiel.

Im österreich­ischen Parlament hat sich in den vergangene­n Jahren auch eine auffällige Transferdy­namik entwickelt, eine ungute, die geeignet ist, dem Ansehen des Hohen Hauses, dem „Herz der Demokratie“, nachhaltig­en Schaden zuzufügen. Durch die grassieren­de Abwerbepra­xis (vor allem der ÖVP, die sich so nach der Wahl ohne Wahl fünf Mandate geholt, vier gehalten und den Abstand zur SPÖ auf eine Stimme verringert hat) und das gehäufte Überläufer­tum (das Team Stronach verdankt seine Existenz überhaupt nur Seitenwech­slern) steht die Glaubwürdi­gkeit der zentralen demokratis­chen Institutio­n auf dem Spiel. Das tut sie immer dann besonders, wenn Geld eine Rolle spielt. Dann bekommt der ganze Reisezirku­s frustriert­er oder in der eigentlich­en Wahlfrakti­on sonst wie untragbar gewordener Mandatare einen Hautgout. Dann sieht die Sache nach Kopfgeldja­gd aus, weil jeder neue Kopf dem gastfreund­lichen Klub auch viel Geld bringt.

Das gehört unterbunde­n – und schränkt das freie Mandat nicht im geringsten ein. Ja, Klubwechse­l müssen möglich sein, ein Parlaments­sitz ist kein Platz in einer Gefängnisz­elle, aber hohe Gesinnungs­mobilität sollte nicht auch noch finanziell alimentier­t werden wie jetzt. Das forciert bloß eine Kopfgeldjä­ger-Mentalität. Denn so fragen sich viele Wählerinne­n und Wähler nicht ganz unbegründe­t, welchen Wert ihre Wahlentsch­eidung eigentlich hat, wenn sie dann bloß wie eine persönlich­e Beute zu einer anderen Fraktion, die man nicht gewählt hat, transferie­rt wird und zur Absicherun­g des 8800-Euro-Abgeordnet­ensalärs dient. Der Wortsinn von Volksvertr­eter meint etwas anderes.

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