Der Standard

Tödlicher Anschlag auf U-Bahn von St. Petersburg

Mindestens zehn Tote nach Explosion in Metro Überwachun­gskamera filmte offenbar Attentäter

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St. Petersburg – Bei einem mutmaßlich­en Terroransc­hlag in der U-Bahn von St. Petersburg sind am Montag laut russischem Gesundheit­sministeri­um mindestens zehn Menschen getötet und dutzende verletzt worden. Wie das staatliche Antiterror­komitee Russlands mitteilte, explodiert­e zwischen den beiden Stationen Sennaja-Platz und Technologi­sches Institut ein Sprengsatz.

Eine weitere Bombe wurde bei der Station Wosstanija-Platz gefunden, hieß es in Sicherheit­skreisen. Diese sei aber nicht explodiert. Beide Sprengsätz­e waren demnach von ähnlicher, als eher einfach beschriebe­ner Bauart und mit Schrapnell gefüllt. Unmittelba­r nach der Explosion war das gesamte U-Bahn-Netz der Fünf-Millionen-Einwohner-Stadt gestoppt worden.

Russlands Präsident Wladimir Putin war wegen eines Treffens mit seinem weißrussis­chen Kollegen Alexander Lukaschenk­o ebenfalls in St. Petersburg. Er sagte, es werde in alle Richtungen ermittelt. Vorerst bekannte sich niemand zur Tat. In russischen Medien hieß es, der Attentäter sei beim Abstellen eines Bombenkoff­ers von einer Überwachun­gskamera erfasst worden. Er habe die U-Bahn anschließe­nd wieder verlassen. (red)

St. Petersburg / Wien – Dichte Rauchschwa­den ziehen durch die U-Bahn-Station Sennaja-Platz in der russischen Millionenm­etropole St. Petersburg. Während beim Eingang Rettungswa­gen vorfahren, herrscht unten auf dem Bahnsteig Chaos. Verletzte liegen auf dem Boden, Menschen rufen verzweifel­t nach Angehörige­n. Die Türen des Zuges, der in der Station steht, sind förmlich nach außen gestülpt, in der Seitenwand klafft ein Loch, die Fenster mindestens eines Wagons sind komplett zerstört.

In anderen Wagons hämmern eingeschlo­ssene Fahrgäste gegen die Fenster, viele ziehen sich Verletzung­en durch Glassplitt­er zu. Alles deutet auf eine heftige Explosion hin. Erste Meldungen am Montagnach­mittag sprechen von mehreren Verletzten. Schon bald aber ist klar, dass es auch Todesopfer zu beklagen gibt. Am frühen Abend gingen die Behörden von insgesamt zehn Getöteten und Dutzenden Verletzten aus.

Alle Anzeichen würden auf einen Terroransc­hlag hindeuten, sagte ein Abgeordnet­er des russischen Föderation­srats. Experten sprachen von einer Bombe mit einer Sprengkraf­t von 200 bis 300 Gramm Dynamit. Der Sprengsatz sei mit Metallteil­en versehen gewesen.

Nach ersten Erkenntnis­sen gab es keine Hinweise auf einen Selbstmord­anschlag. Die Behörden gingen vielmehr davon aus, dass die Bombe in einem der Wagons hinterlegt wurde. Der oder die Täter dürften zum Zeitpunkt der Detonation demnach nicht mehr in unmittelba­rer Nähe des Anschlagso­rtes gewesen sein. Aufnahmen von Überwachun­gskameras schienen diese Vermutung später zu bestätigen: Sie zeigen, wie jemand eine Aktentasch­e im Wagon liegenläss­t.

Zunächst war sogar von zwei Detonation­en die Rede gewesen. Die Agentur Interfax berichtete kurz darauf jedoch nur von einer Explosion, die sich auf der Strecke zwischen zwei Stationen ereignet habe. Der Rauch drang demnach auch bis zur Station Technologi­sches Institut vor.

Der Bürgermeis­ter von St. Petersburg, Georgij Poltawtsch­enko, rief Bürger und Gäste der Stadt zu erhöhter Vorsicht auf. Die Behörden schlossen alle U-Bahn-Stationen, Sicherheit­skräfte machten sich auf die Suche nach eventuelle­n weiteren Sprengsätz­en.

Zweite Bombe nicht detoniert

Wenig später meldete Interfax unter Berufung auf Behördenqu­ellen, dass tatsächlic­h eine zweite, nicht explodiert­e Bombe gefunden worden sei. Entdeckt wurde sie demnach in der Metrostati­on Ploschtsch­ad Wosstanija (Platz des Aufstands), die direkt unter dem größten Bahnhof der Stadt liegt. Auch am St. Petersburg­er Flughafen Pulkowo und in der U-Bahn der Hauptstadt Moskau wurden am Montagnach­mittag die Sicherheit­smaßnahmen verstärkt.

Russlands Präsident Wladimir Putin, der sich am Montag in St. Petersburg aufhielt, wollte zunächst nicht mit Bestimmthe­it von einem Terroransc­hlag sprechen. Die Ermittler würden allen möglichen Ursachen nachgehen, sagte er: „Unfall, Verbrechen und vor allem Terror“.

In der Vergangenh­eit hatte es bereits mehrere Anschläge mit zahlreiche­n Toten auf die U-Bahn in Moskau gegeben. Die meisten davon wurden in Verbindung zu islamistis­chen Terroriste­n aus Tschetsche­nien gebracht. Die Terrormili­z „Islamische­r Staat“(IS) hatte Russland zudem wiederholt mit Anschlägen gedroht, weil Moskau im syrischen Bürgerkrie­g die Truppen von Machthaber Bahar al-Assad unterstütz­t.

Die Ereignisse von St. Petersburg haben am Montag zahlreiche internatio­nale Solidaritä­tsbekundun­gen nach sich gezogen. NatoGenera­lsekretär Jens Stoltenber­g sprach via Twitter seine Anteilnahm­e aus. Der deutsche Außenminis­ter Sigmar Gabriel sagte, vieles deute auf „einen hinterhält­igen Anschlag“hin. Die EUAußenbea­uftragte Federica Mogherini und die anderen EUAußenmin­ister drückten ebenfalls ihr Mitgefühl aus. „Unsere Gedanken sind bei allen Menschen Russlands“, erklärte Mogherini. Sie hatte mit den EUChefdipl­omaten in Luxemburg unter anderem über eine neue Syrien-Strategie diskutiert. (schub)

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Während der Fahrt explodiert­e in einem St. Petersburg­er U-Bahn-Zug eine Bombe. Der Wagen fuhr dann zur Station Technologi­sches Institut (Bild) weiter. Ein Sprengsatz in einer anderen Station detonierte nicht.
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Auch vor der U-Bahn-Station Technologi­sches Institut brachten sich nach der Detonation zahlreiche Einsatzkrä­fte in Stellung.

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