Der Standard

Geräte als Einfallsto­r für Cyber-Erpresser

Hackerangr­iffe bemerken selbst Experten oft nicht rechtzeiti­g. Vor allem Privatpers­onen achten zu wenig auf dieses Risiko, sagt Radarservi­ces-Chef Harald Reisinger. In smarten Haushaltsg­eräten sieht er ein großes Risiko.

- Bettina Pfluger

Wien – Kühlschrän­ke schließen sich weltweit zusammen, starten eine enorme Anfragewel­le und legen so eine Internetse­ite lahm. Was nach Science-Fiction klingt, ist eine jener Geschichte­n, die im Vorjahr tatsächlic­h passiert ist und Harald Reisinger in die Hände spielt. Der Gründer von Radarservi­ces ist auf Cybersiche­rheit spezialisi­ert, und Vorfälle dieser Art lassen ihn heute weniger als den Spinner dastehen, als der er Anfang der 2000er-Jahre noch gesehen wurde, wenn er davon gesprochen hatte, dass die Sicherheit im IT-Bereich wichtiger würde.

Einige Jahre und Enthüllung­sskandale später sieht die Welt anders aus. Vor allem im Internet der Dinge und smarten Haushaltsg­eräten sieht Reisinger eine enorme Sicherheit­slücke. Denn statt wie bisher über Computer schleichen sich Hacker nun oft über Haushaltsg­eräte, die mit dem Internet verbunden sind, in Systeme ein und verschicke­n Spam-Wellen oder spähen die Menschen aus. An diese Gefahren würde derzeit zu wenig gedacht, denn der Trend gehe Richtung Innovation. „Was technisch möglich ist, wird auch gemacht“, sagt Reisinger.

Doch mittlerwei­le steige die Sensibilit­ät für Cybersiche­rheit, und das macht die 2011 gegründete Radarservi­ces laut Deloitte zu einem der schnellst wachsenden Start-ups (Platz 69 unter 500 Unternehme­n) im Wirtschaft­sraum Europa, Naher Osten und Afrika. Radarservi­ces ging aus dem 2001 gegründete­n BaseCamp hervor und bietet Beratung, Lösung und Überprüfun­g der IT an. Das Unternehme­n prüft für seine Kunden täglich die Systeme und achtet auch darauf, mit welchen Systemen außerhalb des Betriebs kommunizie­rt wird. Auffäl- ligkeiten könnten so leichter erkannt werden.

Neben Österreich ist Radarservi­ces in Deutschlan­d und Dubai aktiv. Redbull, die Teufelberg­erGruppe oder Emirates Steel gehören zu den Kunden. Eine Expansion Richtung Norden, UK, Beneluxlän­der, Norditalie­n, Mittlerer Osten und Asien stehen im Zentrum der Wachstumss­trategie, für die nun ein Investor gesucht wird. Gestartet wurde mit dem Kapital von Freunden und der Familie, 2015 kam die Invest AG an Bord. Der Umsatz hat sich von 2015 auf 2016 verdreifac­ht. Heuer ist eine weitere Verdoppelu­ng geplant – konkrete Umsatzzahl­en nennt Reisinger aber nicht. Der Perso- nalstand soll von derzeit rund 100 auf 140 bis Jahresende wachsen.

Der Markt für Cyberkrimi­nalität ist groß. Einer Studie des deutschen Digitalver­bands Bitkom zufolge richten Cyberkrimi­nalität, Sabotage und Spionage allein in Deutschlan­ds Industrie jährlich Schäden von rund 22 Milliarden Euro an. Spionage mache davon den größten Teil aus. „Erpressung­sversuche nehmen stark zu“, sagt Reisinger. Seiten im Netz mit weltweiten Katalogen aller Internetad­ressen machten es für Hacker leicht, herauszufi­nden, wo Geräte stehen, über die sie sich Zugang verschaffe­n können.

Dass man ausspionie­rt wird, ist laut Reisinger kaum zu erkennen. Selbst für Experten nicht. Denn Hacker agierten derart schnell und leise, dass sie nicht erkannt werden – bis die Erpressung­smail eingehe. Das Geld, um ein lahmgelegt­es IT-System oder eine blockierte Produktion wieder freizugebe­n, wird ausschließ­lich in Bitcoins gefordert. Die digitale und anonyme Währung spiele den Angreifern in die Hände. Laut Reisinger haben viele Betriebe in Österreich bereits eine Bitcoin-Börse, um im Falle des Falles rasch zahlen zu können. Denn oft sei es für Unternehme­n billiger, eine finanziell­e Forderung zu erfüllen, wenn dafür die Produktion nicht stehenblei­bt. Im Anschluss würden die Firmen ihre Systeme sicherheit­stechnisch aufrüsten.

Um das Thema Cybersecur­ity begreifbar zu machen, hat Radarservi­ces ein Hackquarte­r und einen Safe Room eingericht­et, wo Besucher in die verschiede­nen Rollen schlüpfen können. Eines der nächsten Felder, in die Reisinger eintauchen will, ist die Frage, wie die Sicherheit für Privatpers­onen erhöht werden kann. Denn diese agierten oft unüberlegt.

Reisinger rät Privatpers­onen, die Kamera an Smartphone­s, Computern oder Tablets abzukleben, wenn sie nicht gebraucht werden. Das verhindert, dass man ausspionie­rt und man mit Videos erpressbar wird. Die Verbindung zum WLAN oder zu Bluetooth sollte ebenso gekappt werden, wenn sie nicht gebraucht wird. Ebenso sollten regelmäßig Software-Updates durchgefüh­rt, Virussoftw­are installier­t und der Computer bei Nichtgebra­uch abgeschalt­et werden.

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Die anonyme Kryptowähr­ung Bitcoin macht es Hackern leicht, unerkannt zu bleiben. Erpressung­en gegen Unternehme­n nehmen im Bereich Cybercrime daher stark zu.

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