Präsidialsystem durch die Hintertür
Serbiens Ministerpräsident Aleksandar Vučić hat sich am Sonntag zum Staatspräsidenten wählen lassen. Die Opposition klagt über undemokratische Wahlen, Kritiker befürchten einen noch größeren Ausbau seiner Macht.
Champagner, Blechmusik, strahlende Gesichter. Als der Sieger erscheint, klatschen serbische Minister frenetisch: Ministerpräsident Aleksandar Vučić war Präsidentschaftskandidat aller regierenden Parteien. Alle waren sie in die Wahlkampagne eingespannt, der Staat stellte sich hinter den starken Mann. Und er siegte überlegen mit rund 55,7 Prozent, ein Knockout in der ersten Runde. Eine Stichwahl sollte unbedingt vermieden werden, sie wäre zu einem Volksbegehren für oder gegen das Regime Vučić geworden, hätte die zerstrittene Opposition gezwungen, sich zu einigen, hätte Apathie in Kampfstimmung verwandeln können. Ein Feuerwerk erhellte den Belgrader Nachthimmel, als Vučić seinen Sieg verkündete.
Er sprach von einem „makello- sen“Triumph, unterstrich, dass er zwölf Prozentpunkte mehr an Stimmen als alle anderen zehn Kandidaten zusammen gewonnen habe. Der Immer-noch-Regierungschef bedankte sich bei den Bürgern, die trotz ihrer schwierigen sozialen Lage seine „Reformund Wirtschaftsleistungen“erkannt hätten. Er bedankte sich namentlich bei der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel und bei Russlands Präsident Wladimir Putin für ihre Unterstützung.
Zerstrittene Opposition
Ein Liebling des Westens und des Ostens – wie viele Politiker können sich sonst schon damit rühmen. An seiner Seite stand auch Milorad Dodik, Präsident der Serbenrepublik in Bosnien, der Republika Srpska. Vučić, der Natio- nalist und Europäer in einer Person: Man kann ihn ideologisch von keiner Seite anfechten, er scheint mit dieser Politik unschlagbar zu sein. Oppositionelle Kandidaten versuchten es mit einem Flankenangriff: Sie beschuldigten Vučić, ein „Autokrat“zu sein, ein Machtpolitiker, der Justiz, Polizei und Sicherheitsdienste unter seine Kontrolle gestellt, der Medien gleichgeschaltet habe.
Sie verwiesen auf weitverbreitete Korruption, auf Vetternwirtschaft, auf die kriminellen Geschäfte von Andrej Vučić, dem Bruder des „Diktators“. Vergebens: Die Präsenz von Aleksandar Vučić in den Medien war zu dominant, die Werbekampagne zu heftig, die finanzielle Überlegenheit gegenüber anderen Kandidaten zu groß. Und die Bürger Serbiens hegen nun einmal eine Zuneigung für starke Volksführer. Der liberale ehemalige Ombudsmann für Menschenrechte, Saša Janković, lag mit nur rund 16 Prozent an zweiter, Luka Maksimović, alias Ljubiša Preletačević Beli, der aus den Präsidentschaftswahlen eine Parodie machte und das politische System verspottete, mit neun Prozent an dritter Stelle. Eine schwere Niederlage mit knapp unter sechs Prozent erlitt der konservative Vuk Jeremić, ehemaliger Außenminister und Generalsekretär der Uno-Vollversammlung.
Janković und Jeremić galten als oppositionelle Favoriten für die Stichwahl. Alle drei waren unabhängige Kandidaten; die vor Vučić bis 2012 regierende Demokratische Partei (DS) hat sich unter dem Kreuzfeuer regimenaher Medien immer noch nicht von ihren Korruptionsaffären erholt und stellte sich hinter Janković, das „neue, saubere Gesicht“der politischen Szene Serbiens.
Es stellte sich heraus, dass die zerstrittene Opposition keine Chance hatte gegen die um Vučić vereinigten regierenden Parteien. Sie hatte es nicht geschafft, apathische Wähler zum Urnengang zu motivieren – die Wahlbeteiligung lag bei rund 55 Prozent.
Präsidentschaftssystem
Nachdem der Regierungschef in den Präsidentenpalast umgezogen sein wird, werde sich in Serbien kaum etwas ändern, sind sich Analytiker einig – die Autorität von Vučić sei sowieso unantastbar. Kritische Stimmen warnen jedoch davor, dass Vučić seine persönliche Macht, die sich über staatliche Institutionen stelle, nun bestätigt durch die Direktwahl des Volkes, noch weiter ausbauen könnte.
Oppositionskandidat Janković warnte davor, dass Vučić durch die Hintertür, verfassungswidrig, das Präsidentschaftssystem einführen, als Chef seiner dominanten Serbischen Fortschrittspartei (SNS) alle Strippen ziehen und einen folgsamen Ministerpräsidenten von seinen Gnaden ernennen werde. Ein Führersystem, eben, das im krassen Widerspruch zu europäischen demokratischen Standards stünde.