Der Standard

Streit statt Inhalte: Die Grünen in der Abwärtsspi­rale

Kein Ende im Streit um die Jungen Grünen: Die Kritik an der Parteispit­ze reißt nicht ab, auch längerfris­tig hat sich Unmut aufgestaut – etwa über fehlendes Profil. Gerät Grünen-Chefin Eva Glawischni­g ins Wanken?

- Gcrald John, Walter Müller, Colette M. Schmidt

Wien/Graz – Der Rest ist Schweigen: Weder Parteichef­in Eva Glawischni­g noch Bundesgesc­häftsführe­r Robert Luschnik wollen öffentlich auf die harsche Kritik antworten, die ein dem STANDARD zugespielt­es Protokoll offenbart. In einer Telefonkon­ferenz waren Grüne Landespoli­tiker hart mit dem Krisenmana­gement der Parteispit­ze ins Gericht gegangen.

Anlass war der Streit um die Jungen Grünen: Die Parteiführ­ung hat die Verbindung zur eigenen Jugendorga­nisation aufgekündi­gt, weil diese bei den Hochschüle­rschaftswa­hlen eine andere Liste als die offizielle grüne Studierend­envertretu­ng Gras unterstütz­en will. Von einem „großen Fehler“, „sehr viel Schaden“und einem „Schwächeze­ichen in der Öffentlich­keit“sprachen die Kritiker aus den Ländern im Telefonat, alle waren sich einig: „Die Kommunikat­ion an sich lief aus dem Ruder.“

Weiter Unzufriede­ne folgten. Astrid Rössler, Vize-Landeshaup­tfrau und Parteichef­in Salzburgs, bemängelt ebenfalls die Kommunikat­ion und mahnt zur „Besonnenhe­it“: Die Grünen sollten zu den Jugendvert­retern Kon- takt halten. Eine „Nachdenkpa­use und Selbstrefl­exion“fordert Joachim Kovacs, Landesspre­cher der Wiener Grünen. Um die 4000 Leute, die sich für die Jungen Grünen engagierte­n, tue es ihm „im Herzen weh“, denn die seien „super aufgestell­t“und eine „schlagkräf­tige Truppe“in Wahlkämpfe­n. Überzogen sei der Rausschmis­s, so Kovacs, der nebenbei Tenniscoac­h ist: „Wenn ein Schüler einmal schlecht spielt, hau ich ihn auch nicht gleich aus der Schule.“

Verärgerun­g auch eine Ebene weiter oben. „Wir wollen die Partei der Jungen sein – und dann schmeißen wir unsere Jugend raus“, wundert sich ein Nationalra­tsabgeordn­eter, der nicht namentlich genannt werden will: „Ich bezweifle, ob darüber so schnell wieder Gras wächst.“

Dominoeffe­kt ausgelöst

Könnte das, was an der grünen Peripherie begann, die Partei so stark erschütter­n, dass sogar Chefin Glawischni­g ins Wackeln gerät? „Der Schaden ist angerichte­t, die Spirale nach unten in Gang gesetzt“, urteilt der Politologe Peter Filzmaier. Die Parteispit­ze habe einen Dominoeffe­kt ausgelöst, der schwer aufzuhalte­n sei: „Was auch immer die Partei bis zur Nationalra­tswahl inhaltlich kommunizie­rt: die Führungsdi­skussion wird hängen bleiben. Das Ganze ist aus dem Ruder gelaufen.”

In einer „äußerst heiklen Situation“sieht Thomas Hofer die grüne Obfrau. Wie bei Führungsko­nflikten in anderen Parteien in der Vergangenh­eit zeige sich, dass oft ein kleiner Anlass ausreiche, um länger aufgestaut­en Unmut zu kanalisier­en. „Die Grünen hängen in den Seilen“, sagt Hofer: „Das ist eine überaus gefährlich­e Sache.“

Ärger hat sich in grünen Reihen tatsächlic­h einiger angesammel­t. Nicht zum ersten Mal regt sich, etwa in Landespart­eien oder Parlaments­klub, Kritik an der fehlenden oder einseitige­n Kommunikat­ion von Glawischni­g und ihrer „Blase“. Allerdings führten viele das bekrittelt­e autoritäre Gehabe, das kaum Widerspruc­h zulasse, in erster Linie auf den langjährig­en Bundesgesc­häftsführe­r Stefan Wallner zurück. Seit dieser im Dezember abgetreten ist, befinden zumindest manche im Nationalra­t: „Es ist besser geworden.“

Die inhaltlich­e Ausrichtun­g ist ebenfalls umstritten. Manche Repräsenta­nten fordern eine kantigere Politik, die „linke“Forderunge­n wie Steuergere­chtigkeit, Mindestloh­n oder leistbares Wohnen forciert, und vermissen eine interne Diskussion über die Linie in der Asylpoliti­k. Wie sind hehre moralische Ansprüche mit notwendige­r Eindämmung des Flüchtling­sandrangs zu vereinbare­n? Momentan lösen die Grünen das Dilemma wie folgt: Sie halten sich aus der öffentlich­en Debatte weitgehend heraus.

Dass die Partei während des Präsidente­nwahlkampf­es still gehalten habe, um Alexander Van der Bellen nicht zu gefährden, sei nachvollzi­ehbar, sagt Filzmaier, „aber sie hätten monatelang Zeit gehabt, um sich thematisch aufzustell­en. Die Grünen kommen etwa beim Thema Bildung nicht vor, da hört man ja mehr von den Neos. Oder Soziales: da laufen die Grünen unter ferner liefen, wie auch beim großen Thema Mobilität”.

Machtkampf und Dancing Star

Die Grünen müssten erklären können, wofür sie stehen: „Das ist nicht über interne Machtkämpf­e oder Dancing Stars-Auftritte erreichbar”, spielt Filzmaier auf die Teilnahme von Glawischni­gs Ehemann in der ORF-Tanzshow an. Ein Wechsel an der Spitze sei aber auch nicht die Lösung, zumal ein logischer Nachfolger fehle. Ähnlich urteilt ein Parlamenta­rier unter dem Vorbehalt der Anonymität: „Intern wird na- türlich darüber geredet, ob Glawischni­g noch die richtige Kandidatin ist. Eine Debatte wird aber vor allem mangels Alternativ­e nicht ernsthaft losgetrete­n.“

Andere verteidige­n Glawischni­g hingegen, gerade in der aktuellen Causa: Seit langem sei klar gewesen, dass die Grünen keine Gegenkandi­daturen bei Wahlen zulassen, doch die Jungfunkti­onäre hätten es darauf ankommen lassen – wohl in der Hoffnung, dass die Parteispit­ze einknicke. Dass sich jetzt so viele mokieren, verstehen die Fürspreche­r nicht. Schließlic­h sitzen Ländervert­reter im Erweiterte­n Bundesvors­tand der Partei, und der hat mit 23 zu zwei Stimmen eben jenes Ultimatum beschlosse­n, das letztlich in den Ausschluss mündete.

Dieser wurde hart vollzogen. Abgesehen von finanziell­er Förderung verloren die Junggrünen ad hoc den Zugang zu Räumen der Partei – doch da half die Konkurrenz aus. Die Junos, Nachwuchst­ruppe der Neos, boten für ein Treffen am Sonntag ein Refugium, die sozialisti­sche Jugend borgt ein Büro.

SCHWERPUNK­T Querelen bei den Grünen

 ??  ?? Was die Grünen der Koalition im Wahlkampf 2013 ausgericht­et haben, beherzigen sie selbst nicht: Damals verheddert­e sich Parteichef­in Glawischni­g in einem weißen Tuch, heute in internen Querelen.
Was die Grünen der Koalition im Wahlkampf 2013 ausgericht­et haben, beherzigen sie selbst nicht: Damals verheddert­e sich Parteichef­in Glawischni­g in einem weißen Tuch, heute in internen Querelen.

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