Streit statt Inhalte: Die Grünen in der Abwärtsspirale
Kein Ende im Streit um die Jungen Grünen: Die Kritik an der Parteispitze reißt nicht ab, auch längerfristig hat sich Unmut aufgestaut – etwa über fehlendes Profil. Gerät Grünen-Chefin Eva Glawischnig ins Wanken?
Wien/Graz – Der Rest ist Schweigen: Weder Parteichefin Eva Glawischnig noch Bundesgeschäftsführer Robert Luschnik wollen öffentlich auf die harsche Kritik antworten, die ein dem STANDARD zugespieltes Protokoll offenbart. In einer Telefonkonferenz waren Grüne Landespolitiker hart mit dem Krisenmanagement der Parteispitze ins Gericht gegangen.
Anlass war der Streit um die Jungen Grünen: Die Parteiführung hat die Verbindung zur eigenen Jugendorganisation aufgekündigt, weil diese bei den Hochschülerschaftswahlen eine andere Liste als die offizielle grüne Studierendenvertretung Gras unterstützen will. Von einem „großen Fehler“, „sehr viel Schaden“und einem „Schwächezeichen in der Öffentlichkeit“sprachen die Kritiker aus den Ländern im Telefonat, alle waren sich einig: „Die Kommunikation an sich lief aus dem Ruder.“
Weiter Unzufriedene folgten. Astrid Rössler, Vize-Landeshauptfrau und Parteichefin Salzburgs, bemängelt ebenfalls die Kommunikation und mahnt zur „Besonnenheit“: Die Grünen sollten zu den Jugendvertretern Kon- takt halten. Eine „Nachdenkpause und Selbstreflexion“fordert Joachim Kovacs, Landessprecher der Wiener Grünen. Um die 4000 Leute, die sich für die Jungen Grünen engagierten, tue es ihm „im Herzen weh“, denn die seien „super aufgestellt“und eine „schlagkräftige Truppe“in Wahlkämpfen. Überzogen sei der Rausschmiss, so Kovacs, der nebenbei Tenniscoach ist: „Wenn ein Schüler einmal schlecht spielt, hau ich ihn auch nicht gleich aus der Schule.“
Verärgerung auch eine Ebene weiter oben. „Wir wollen die Partei der Jungen sein – und dann schmeißen wir unsere Jugend raus“, wundert sich ein Nationalratsabgeordneter, der nicht namentlich genannt werden will: „Ich bezweifle, ob darüber so schnell wieder Gras wächst.“
Dominoeffekt ausgelöst
Könnte das, was an der grünen Peripherie begann, die Partei so stark erschüttern, dass sogar Chefin Glawischnig ins Wackeln gerät? „Der Schaden ist angerichtet, die Spirale nach unten in Gang gesetzt“, urteilt der Politologe Peter Filzmaier. Die Parteispitze habe einen Dominoeffekt ausgelöst, der schwer aufzuhalten sei: „Was auch immer die Partei bis zur Nationalratswahl inhaltlich kommuniziert: die Führungsdiskussion wird hängen bleiben. Das Ganze ist aus dem Ruder gelaufen.”
In einer „äußerst heiklen Situation“sieht Thomas Hofer die grüne Obfrau. Wie bei Führungskonflikten in anderen Parteien in der Vergangenheit zeige sich, dass oft ein kleiner Anlass ausreiche, um länger aufgestauten Unmut zu kanalisieren. „Die Grünen hängen in den Seilen“, sagt Hofer: „Das ist eine überaus gefährliche Sache.“
Ärger hat sich in grünen Reihen tatsächlich einiger angesammelt. Nicht zum ersten Mal regt sich, etwa in Landesparteien oder Parlamentsklub, Kritik an der fehlenden oder einseitigen Kommunikation von Glawischnig und ihrer „Blase“. Allerdings führten viele das bekrittelte autoritäre Gehabe, das kaum Widerspruch zulasse, in erster Linie auf den langjährigen Bundesgeschäftsführer Stefan Wallner zurück. Seit dieser im Dezember abgetreten ist, befinden zumindest manche im Nationalrat: „Es ist besser geworden.“
Die inhaltliche Ausrichtung ist ebenfalls umstritten. Manche Repräsentanten fordern eine kantigere Politik, die „linke“Forderungen wie Steuergerechtigkeit, Mindestlohn oder leistbares Wohnen forciert, und vermissen eine interne Diskussion über die Linie in der Asylpolitik. Wie sind hehre moralische Ansprüche mit notwendiger Eindämmung des Flüchtlingsandrangs zu vereinbaren? Momentan lösen die Grünen das Dilemma wie folgt: Sie halten sich aus der öffentlichen Debatte weitgehend heraus.
Dass die Partei während des Präsidentenwahlkampfes still gehalten habe, um Alexander Van der Bellen nicht zu gefährden, sei nachvollziehbar, sagt Filzmaier, „aber sie hätten monatelang Zeit gehabt, um sich thematisch aufzustellen. Die Grünen kommen etwa beim Thema Bildung nicht vor, da hört man ja mehr von den Neos. Oder Soziales: da laufen die Grünen unter ferner liefen, wie auch beim großen Thema Mobilität”.
Machtkampf und Dancing Star
Die Grünen müssten erklären können, wofür sie stehen: „Das ist nicht über interne Machtkämpfe oder Dancing Stars-Auftritte erreichbar”, spielt Filzmaier auf die Teilnahme von Glawischnigs Ehemann in der ORF-Tanzshow an. Ein Wechsel an der Spitze sei aber auch nicht die Lösung, zumal ein logischer Nachfolger fehle. Ähnlich urteilt ein Parlamentarier unter dem Vorbehalt der Anonymität: „Intern wird na- türlich darüber geredet, ob Glawischnig noch die richtige Kandidatin ist. Eine Debatte wird aber vor allem mangels Alternative nicht ernsthaft losgetreten.“
Andere verteidigen Glawischnig hingegen, gerade in der aktuellen Causa: Seit langem sei klar gewesen, dass die Grünen keine Gegenkandidaturen bei Wahlen zulassen, doch die Jungfunktionäre hätten es darauf ankommen lassen – wohl in der Hoffnung, dass die Parteispitze einknicke. Dass sich jetzt so viele mokieren, verstehen die Fürsprecher nicht. Schließlich sitzen Ländervertreter im Erweiterten Bundesvorstand der Partei, und der hat mit 23 zu zwei Stimmen eben jenes Ultimatum beschlossen, das letztlich in den Ausschluss mündete.
Dieser wurde hart vollzogen. Abgesehen von finanzieller Förderung verloren die Junggrünen ad hoc den Zugang zu Räumen der Partei – doch da half die Konkurrenz aus. Die Junos, Nachwuchstruppe der Neos, boten für ein Treffen am Sonntag ein Refugium, die sozialistische Jugend borgt ein Büro.
SCHWERPUNKT Querelen bei den Grünen