Polizeilicher „Schmerzimpuls“
Prozess um Widerstand gegen die Staatsgewalt vor Disco
Wien – Sonntagmorgen, junge Männer vor der Disco: Die Erfahrung lehrt, dass diese Mischung Polizeieinsätze nicht unbedingt einfacher macht. Darko T. soll es am 26. Februar in Wien-Brigittenau aber definitiv übertrieben haben. Der 21-Jährige sitzt wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und schwerer Körperverletzung vor Richter Marc Farkas, da er einem Beamten aus vollem Lauf mit gestreckten Beinen in den Rücken gesprungen sein soll.
„Wir waren in der Disco, dann sind wir hinaus. Wir wollten einen betrunkenen Freund ins Taxi geben“, schildert T. die Ausgangslage. Danach stand die Gruppe offenbar auf der Straße, vorbeifahrende Polizisten ermahnten sie.
Von T.s Cousin wollten sie den Ausweis sehen, er hatte keinen dabei. „Plötzlich haben sie ihn umgerissen“, schildert der Angeklagte. Die Beamten sagen, der Cousin sei aggressiv gewesen, geben aber zu, dass er sich nur „der Festnahme passiv widersetzt hat“. Soll heißen: Er ließ sich – liegend – nicht sofort die Arme auf den Rücken biegen, um sich Handschellen anlegen zu lassen.
„Die haben ihn geschlagen!“, sagt der Angeklagte zu Farkas. „Ich wollte mich wie ein Schutzschild über ihn legen“, erklärt er, warum er zu seinem Verwandten gelaufen ist. Er habe sich noch über ihn gebeugt, dann habe ihn eine Polizistin weggestoßen, und er sei gegen einen anderen Beamten geprallt. Der soll dabei Prellungen am Rücken erlitten haben.
Inspektor J., 27 Jahre alt, drückt sich technokratisch aus. Er habe bei der Festnahme des Cousins „mit dem ES (Einsatzstock, Anm.) einen kurzen Schmerzimpuls am rechten Oberarm gesetzt“. Er hat also zugeschlagen, damit der Festgenommene die Hand auf den Rücken gibt.
Als er amtshandelte, sei der Angeklagte plötzlich hergerannt und ihm aus vollem Lauf in den Rücken gesprungen. Der Richter ist etwas misstrauisch. „Haben Sie das selbst gesehen?“– „Aus dem Augenwinkel“, lautet zunächst die Antwort. Und Kollegen hätten es ihm erzählt. „Aber selbst haben Sie es nicht gesehen? Woher wissen Sie dann überhaupt, dass es ein Sprung gewesen ist?“– „Aus die Schmerzen, die was ich im Rücken verspürt habe“, wechselt der Zeuge in Umgangssprache.
Verteidiger Arthur Machac führt ihm dann das Handyvideo eines Augenzeugen vor. Auf dem sind mehrere interessante Details zu erkennen: Während der Zeuge den Schlagstock benutzt, reißt sein Kollege dem Festgenommenen den Kopf hoch und fährt ihm mit den Fingern in Auge und Mund. Daraufhin läuft der Angeklagte los – von einem Sprung ist allerdings nichts zu sehen.
Der Polizist bleibt dennoch dabei. „Er ist mir in den Rücken gesprungen.“Er habe das Video zwar vorher nicht gesehen, wisse aber, dass es existiert. „Das ist doch eh beim Akt dabei?“, vermutet der Zeuge. „In meinem Akt nicht“, weist der Richter darauf hin, dass sich die Beamten offensichtlich nicht die Mühe gemacht haben, das Beweismittel zu bekommen, nachdem es ins Internet gelangt ist.
Zeugen fehlen, es wird vertagt.