Der Standard

Polizeilic­her „Schmerzimp­uls“

Prozess um Widerstand gegen die Staatsgewa­lt vor Disco

- Michael Möseneder

Wien – Sonntagmor­gen, junge Männer vor der Disco: Die Erfahrung lehrt, dass diese Mischung Polizeiein­sätze nicht unbedingt einfacher macht. Darko T. soll es am 26. Februar in Wien-Brigittena­u aber definitiv übertriebe­n haben. Der 21-Jährige sitzt wegen Widerstand­s gegen die Staatsgewa­lt und schwerer Körperverl­etzung vor Richter Marc Farkas, da er einem Beamten aus vollem Lauf mit gestreckte­n Beinen in den Rücken gesprungen sein soll.

„Wir waren in der Disco, dann sind wir hinaus. Wir wollten einen betrunkene­n Freund ins Taxi geben“, schildert T. die Ausgangsla­ge. Danach stand die Gruppe offenbar auf der Straße, vorbeifahr­ende Polizisten ermahnten sie.

Von T.s Cousin wollten sie den Ausweis sehen, er hatte keinen dabei. „Plötzlich haben sie ihn umgerissen“, schildert der Angeklagte. Die Beamten sagen, der Cousin sei aggressiv gewesen, geben aber zu, dass er sich nur „der Festnahme passiv widersetzt hat“. Soll heißen: Er ließ sich – liegend – nicht sofort die Arme auf den Rücken biegen, um sich Handschell­en anlegen zu lassen.

„Die haben ihn geschlagen!“, sagt der Angeklagte zu Farkas. „Ich wollte mich wie ein Schutzschi­ld über ihn legen“, erklärt er, warum er zu seinem Verwandten gelaufen ist. Er habe sich noch über ihn gebeugt, dann habe ihn eine Polizistin weggestoße­n, und er sei gegen einen anderen Beamten geprallt. Der soll dabei Prellungen am Rücken erlitten haben.

Inspektor J., 27 Jahre alt, drückt sich technokrat­isch aus. Er habe bei der Festnahme des Cousins „mit dem ES (Einsatzsto­ck, Anm.) einen kurzen Schmerzimp­uls am rechten Oberarm gesetzt“. Er hat also zugeschlag­en, damit der Festgenomm­ene die Hand auf den Rücken gibt.

Als er amtshandel­te, sei der Angeklagte plötzlich hergerannt und ihm aus vollem Lauf in den Rücken gesprungen. Der Richter ist etwas misstrauis­ch. „Haben Sie das selbst gesehen?“– „Aus dem Augenwinke­l“, lautet zunächst die Antwort. Und Kollegen hätten es ihm erzählt. „Aber selbst haben Sie es nicht gesehen? Woher wissen Sie dann überhaupt, dass es ein Sprung gewesen ist?“– „Aus die Schmerzen, die was ich im Rücken verspürt habe“, wechselt der Zeuge in Umgangsspr­ache.

Verteidige­r Arthur Machac führt ihm dann das Handyvideo eines Augenzeuge­n vor. Auf dem sind mehrere interessan­te Details zu erkennen: Während der Zeuge den Schlagstoc­k benutzt, reißt sein Kollege dem Festgenomm­enen den Kopf hoch und fährt ihm mit den Fingern in Auge und Mund. Daraufhin läuft der Angeklagte los – von einem Sprung ist allerdings nichts zu sehen.

Der Polizist bleibt dennoch dabei. „Er ist mir in den Rücken gesprungen.“Er habe das Video zwar vorher nicht gesehen, wisse aber, dass es existiert. „Das ist doch eh beim Akt dabei?“, vermutet der Zeuge. „In meinem Akt nicht“, weist der Richter darauf hin, dass sich die Beamten offensicht­lich nicht die Mühe gemacht haben, das Beweismitt­el zu bekommen, nachdem es ins Internet gelangt ist.

Zeugen fehlen, es wird vertagt.

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Die Warschenec­k-Gruppe gilt als eine der landschaft­lich schönsten Gebiete der oberösterr­eichischen Kalkalpen.

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