Der Standard

Erster Höhlenfisc­h Europas entdeckt

Bisher ging man davon aus, dass es in Europa wegen der Eiszeit keine Höhlenfisc­he gäbe. Doch nun wurden Forscher in der Gegend des Bodensees fündig: In einem abgelegene­n Höhlensyst­em lebt dort seit rund 20.000 Jahren eine Population von Schmerlen.

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Konstanz/Wien – Von den etwa 14.000 Süßwasserf­ischarten weltweit leben nur rund 280 Spezies in dunklen Höhlen. Eine Voraussetz­ung dafür sind alte, unterirdis­che Karsthöhle­n, und davon gibt es in China, Australien oder auf Madagaskar besonders viele. Der wohl am besten erforschte Höhlenfisc­h ist der in Mexiko beheimatet­e Blinde Höhlensalm­ler, der völlig auf einen Tag-Nacht-Rhythmus verzichtet und auch als Aquarienfi­sch beliebt ist.

Bis vor kurzem dachte man, dass in Europa keine Höhlenfisc­he vorkommen könnten, da während der letzten Eiszeit so gut wie alle Gewässer vereist waren. Der bislang nördlichst­e Höhlenfisc­h wurde im US-Staat Pennsylvan­ia am 41. Breitengra­d entdeckt – so südlich wie Neapel.

Doch im August 2015 sichtete der Hobbytauch­er Joachim Kreiselmai­er in einem schwer zugänglich­en Höhlensyst­em im Bodenseera­um im Süden Baden-Würt- tembergs einen „verdächtig­en“Fisch, machte Fotos und zeigte sie Forschern. Die bissen sofort an, weshalb ihnen der Taucher im November 2015 ein Tier fing. Das war kein einfaches Unterfange­n: Um an den Fundort zu gelangen, brauchen Taucher, die dabei gegen die Strömung in den gefluteten Höhlen schwimmen müssen, etwa eine Stunde.

Die Mühen lohnten sich: Der Fisch entpuppte sich als der erste europäisch­e und bisher nördlichst­e Höhlenfisc­h der Welt, wie Jasminca Behrmann-Godel (Uni Konstanz) gemeinsam mit deutschen Kollegen im Fachblatt Current Biology berichtet. Erste genetische Analysen lassen darauf schließen, dass die Schmerlena­rt vermutlich nach dem Ende der Würmeiszei­t aus der Donau in das Höhlensyst­em am Bodensee einwandert­e. „Wir nehmen an, dass in dem 250 Quadratkil­ometer großen Versickeru­ngsbereich der Donau, der in der Aachquelle nördlich des Bodensees mündet, eine große Population lebt“, so die Erstautori­n.

In den vergangene­n 20.000 Jahren – evolutions­biologisch betrachtet ein kurzer Zeitraum – haben sich die Fische dann an das Leben in den dunklen Höhlen angepasst. Die Tiere besitzen nur mehr kleine Augen, stattdesse­n sind die Barteln verlängert, damit die Fische besser riechen und schmecken können. Zudem wurden die Pigmentzel­len reduziert, was den Fischen beim Energiespa­ren hilft. (tasch, dpa)

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Foto: Jasminca Behrmann-Godel Europas erste bekannte Höhlenfisc­hspezies ist eine knapp zehn Zentimeter große Schmerlena­rt, die seit rund 20.000 Jahren in einem Höhlensyst­em im Bodenseege­biet lebt. Die Fische haben sich an die neue Umgebung gut angepasst, besitzen nur mehr kleine...

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