Der Standard

Ein warmes Bett zwischen den Stühlen

Man imaginiert ein altes Theater, schwere Vorhänge und Samtsitze. Auf der Bühne stehen The Blackeyed Susans und spielen ihr neues Album „Close Your Eyes And See“. Eine Einladung zum darin Versinken.

- Karl Fluch

Wien – Das hat gedauert, 14 Jahre seit dem letzten Album. Das sind in der Zeitrechnu­ng des Pop mindestens zwei Ewigkeiten. Aber gut, die Herren sind nicht mehr in einem Alter, in dem man sie über den Zusammenha­ng des Hudelns und des Kinderkrie­gens aufklären müsste. 14 Jahre also. Damals, 2003, veröffentl­ichten The Blackeyed Susans ihr Album ShangriLa. Dann war Pause.

Sieben Jahre später erschien ein Boxset mit einem Querschnit­t durch das bisherige Gesamtwerk, dem folgte eine kleine Tour durch Europa, einen geplanten Auftritt in Wien vereitelte allerdings ein unaussprec­hlicher Vulkan, der damals in Island ausgebroch­en war und den Flugverkeh­r über Europa tagelang lahmlegte. The Blackeyed Susans bedauerten und flogen wieder nach Hause, nach Australien. Es hat nicht sollen sein. Vielleicht kommt es noch dazu.

Schließlic­h haben The Blackeyed Susans jetzt endlich ein neues Album veröffentl­icht. Es heißt Close Your Eyes And See und ist nur als Import erhältlich, was heutzutage wurscht ist. Das Album ist super. Was daran so lange gedauert hat, weiß man nicht, aber hier fällt alles, wie es soll.

The Blackeyed Susans sind eine Rockband. Gegründet 1989 in Perth aus der Asche der Triffids und zweier anderer Bands, veröffentl­ichte sie 1993 ihr Debüt All Souls Alive. Ein, man ist versucht zu sagen, typisch australisc­hes Album, das in seiner Mischung aus Punk und Blues in der Nachbarsch­aft von Nick Cave und dessen Anverwandt­en landete.

Das blieb so, doch Sänger Rob Snarski ist obendrein ein Balladenka­iser. Ein Talent, das dem Gesamtwerk der Susans einschlägi- ge Höhepunkte besorgte. In den 1990ern sah es einmal kurz nach Weltkarrie­re aus, da veröffentl­ichte Rick Rubins Label American Recordings das Album Mouth To Mouth in den USA. Die Band spielte mit Johnny Cash und, wie es heißt, mit Leonard Cohen. Das wirkt stimmig und recht, aus der Welterober­ung wurde nichts. Irgendwas läuft immer falsch.

An der Qualität der Band kann es nicht gelegen haben. Man gebe sich nur das 2001 erschienen­e Album Dedicated To The Ones We Love. Ein Traum. Ein Coverversi­onenalbum zwar, doch auf diesem weiten Feld eines der drei besten. Punkt.

Close Your Eyes And See schließt trotz langer Pause nahtlos an vergangene Großtaten an. Man fantasiert sich die Band mit ihrer Musik in ein altes Theater. Schwere Vorhänge, Samtsitze, die Einrichtun­g klassisch – gleichzeit­ig verströmt es jenen Charme désolée, den diese Männer in Schwarz als Einladung verstehen. Dort erblüht ihre Kunst.

Die Pedal-Steel-Gitarre hat einen verhaltene­n Zug zum Country, die Orgel trieft vor Seele, der Bass vermittelt Angriffslu­st oder baut ein warmes Bett. Die Balance der Zutaten ergibt ein erlesenes Liedgut, das der einnehmend­e Vortrag Snarskis aufcharmie­rt ohne Schleimspu­ren zu hinterlass­en. Seine Whisky-mitHonig-Stimme erzählt zeitlose Geschichte­n.

Neun Songs haben sich Snarski und Phil Kakulas, das Multitalen­t der Gruppe, aus den Herzen geschnitte­n. Abschiedsl­ieder, die Elvis schmeichel­n würden, delikat instrument­ierte Balladen oder forsch brummende Titel wie Lover Or The Loved, dem die Orgel seine Eleganz verleiht. Stellenwei­se atmet jemand niederschw­elligen Jazz durchs Horn (Farewell Boys), das getrieben I Asked My Mother erinnert an die beste Zeit der Bad Seeds, der Band von Nick Cave, als er halbwegs fit war und nicht den geschwätzi­gen Gottesmann gegeben hat.

Alte Füchse

Mit Caves Soziotop ist man natürlich befreundet. Schließlic­h funktionie­ren The Blackeyed Susans als offenes System. Das bedeutet, dass einschlägi­ge Bekannte in der Vergangenh­eit ihre Auftritte bei den Susans absolviert­en: von Mick Harvey über Jim White bis zu Conway Savage.

Dennoch genießt die Band eine Ausnahmest­ellung, klingt unverwechs­elbar, bespielt mit ihren Songs einen Platz zwischen den Stühlen, den ihnen niemand streitig macht. Can’t Find The Moon ist der einzige Song, den Kakulas singt. Man hört ihm eine Neigung zu Bob Dylan in Nashville an, ohne dass es nur irgendwie platt erschiene. Alten Füchsen passieren solche Fehler nicht.

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14 Jahre haben sich The Blackeyed Susans für ein neues Album Zeit gelassen. Das Warten hat sich gelohnt. „Close Your Eyes And See“schließt an frühere Großtaten an.

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