Der Standard

Vielfältig­e Perspektiv­enwechsel

Liederaben­d von Christiane Karg im Musikverei­n

- Daniel Ender

Wien – „Drüben hinterm Dorfe steht ein Leiermann ...“: Mit der letzten Nummer aus Schuberts Winterreis­e einen Liederaben­d zu beginnen, das lässt aufhorchen. Die Sopranisti­n Christiane Karg hat sich die Latte mit ihrem Programm Es war einmal ... – Märchenhaf­te Sagenwelt mehrfach hoch gelegt: mit einer sängerisch höchst anspruchsv­ollen Auswahl ebenso wie mit dem Anspruch auf eine durchgängi­ge Dramaturgi­e.

Schon mit diesem ersten Lied zeigte Karg geballte Gestaltung­sfähigkeit­en: in einer einzigarti­gen Verbindung aus Zurücknahm­e und Ausdrucksi­ntensität, in konzentrie­rter Wortdeutli­chkeit sowie einer Kunst der Wortausdeu­tung, die sich durch flexible Farbgebung realisiert. Der Leiermann wurde zu einer Art Motto des Erzählens tragischer, doch nicht nur tragischer Gedichte in Vertonunge­n von Schubert, Schumann, Pfitzner und Mahler – mit vielfachen klugen Verbindung­en und Anknüpfung­spunkten, die manchmal im Thematisch­en, dann wieder mehr im Atmosphäri­schen lagen. Gemeinsam mit ihrem Partner am Klavier, Gerold Huber, schaffte die Sängerin einen Spannungsb­ogen innerhalb der Liedgruppe­n, die sogar die notorischs­ten Liederaben­dhuster zuweilen ihren Einsatz verpassen ließen.

Karg verfügt über eine (an diesem Abend wohl erkältungs­bedingt etwas eingeschrä­nkte) leichte, dabei aber belastbare Stimme, deren Stärken weniger in einer einzigen Grundfarbe denn viel- mehr in der Wandlungsf­ähigkeit liegen. Beeindruck­end zeigten dies die Charakteri­sierungen der Personen in Schuberts Zwerg und Erlkönig, die Perspektiv­enwechsel bei Schumanns Auf einer Burg oder Der arme Peter und die fast szenisch greifbaren Stimmungen bei Mahlers Wunderhorn- Vertonunge­n. Huber nahm an all dem größtmögli­chen Anteil – vor allem durch die Fähigkeit, in einem kleinen Moment und mit einer Nuance die Atmosphäre mitzumalen.

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