Der Standard

KOPF DES TAGES

Politische­s Leichtgewi­cht mit Humor

- Sandra Weiss

Er war eigentlich nur die zweite Wahl. Am liebsten hätte Präsident Rafael Correa seinen Vizepräsid­enten Jorge Glas zum Präsidents­chaftskand­idaten gekürt. Doch der arrogante, mit Korruption­svorwürfen belastete Ingenieur hätte Umfragen zufolge keine Chance gehabt. So fiel die Wahl auf Lenín Moreno, den freundlich­en Exvize, der nach zehn Jahren das Erbe Correas antritt – Glas wurde ihm als Vize aufoktroyi­ert.

Einfach dürfte es für die beiden nicht werden: Die Wirtschaft befindet sich im dritten Jahr einer Rezession und wurde im letzten Jahr vor allem dank chinesisch­er Kredite und Investitio­nen in Bergbau und Erdöl über Wasser gehalten. Die ecuadorian­ische Gesellscha­ft ist, wie Meronos knapper Vorsprung verdeutlic­ht, gespalten.

Moreno ist 63 Jahre alt und entspringt einer bürgerlich­en Familie im Amazonas, damals eine unerschlos­sene Wildnis. Als er ins Volksschul­alter gekommen war, zog die Familie in die Hauptstadt Quito. Die Liebe zur Natur ist ihm geblieben. Zur Politik kam er erst spät – als einer der Mitgründer von Alianza País im Jahr 2006. Zuerst studierte er Medizin, dann Psychologi­e. Beides brach er ab und blieb schließlic­h bei Verwaltung­swissensch­aften. Danach arbeitete er lange im Touris- mus. Der Fußballfan gilt als bescheiden und fleißig, am liebsten arbeite er zwischen zwei und sechs Uhr morgens, erzählte Moreno einmal.

Sprichwört­lich sind sein positives Denken und sein Humor, darüber hat er mehrere Bücher verfasst. Von seiner Zeit als Vizepräsid­ent (2007–2013) blieb vor allem Morenos Kampf um mehr Rechte für Kinder, Alte und Behinderte in Erinnerung. Ein sehr persönlich­es Anliegen, sitzt er doch selbst seit 1998 nach einem Überfall, bei dem ihm in den Rücken geschossen wurde, im Rollstuhl. Nach seiner Vizepräsid­entschaft wurde er UN-Botschafte­r für Behinderte.

Der Vater dreier Töchter, der mit dem politische­n Tagesgesch­äft nie wirklich konfrontie­rt war, steht vor der Herausford­erung, die Frontalopp­osition im Kongress, die auch seinen Wahlsieg infrage stellt, zu meistern.

Zwar verfügt die Regierungs­partei Alianza País noch über eine Mehrheit, doch sie ist nicht mehr so groß wie noch unter Correa. Sich aus dem Schatten seines Mentors und Vorgängers zu lösen, wird ebenfalls nicht einfach. Correa ist narzisstis­ch und machtbeses­sen. Im Wahlkampf mischte er sich ein, wo er nur konnte – auch gegen den Willen von Morenos Wahlkampft­eam.

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Foto: Reuters Lenín Moreno tritt nach dem Wahlsieg in Ecuador ein schweres Erbe an.

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