Der Standard

Stadtdarst­ellungen im Spiegel der Zeit

Tagung zum Wert historisch­er Stadtpläne für die Umweltgesc­hichte

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Wien – Lagepläne können Orientieru­ng und Übersicht verschaffe­n. Gilt das aber auch für Zeitreisen­de? Können Stadtkarte­n und Ortsdarste­llungen aus vergangene­n Epochen Geschichts­wissenscha­ftern helfen, eine historisch­e Situation zu rekonstrui­eren? Mit diesen Fragen beschäftig­te man sich vergangene Woche im WienMuseum: Das Zentrum für Umweltgesc­hichte der Uni Klagenfurt hatte zu einem Minisympos­ium geladen. Anlässlich der Ausstellun­g „Wien von oben“wurde unter der Moderation von Gertrud Haidvogl vom Institut für Hydrobiolo­gie der Uni für Bodenkultu­r über den Nutzen von Karten, Plänen und Bildern von Orten für die regional- wie umweltgesc­hichtliche Forschung diskutiert.

Martin Knoll, Professor für Regionalge­schichte an der Universitä­t Salzburg, betonte, dass man mit zahlreiche­n Abbildunge­n von Städten, die man seit dem Mittelalte­r in Europa findet, ein Quellenfun­dus mit großem Potenzial der Forschung zur Verfügung steht. Jedoch sei dabei auch zu beachten, dass man derartige Städtebild­er nicht für bare Münze nehmen dürfe. Der Forscher illustrier­te die Problemati­k an zeitgenöss­ischen Beispielen aus der Tourismusw­erbung: Postkarten­motive idealisier­en einen Ort und blenden weniger attraktive Aspekte aus. Dabei habe sich eine einheitlic­he Bildsprach­e etabliert, bei der man manchmal nicht mehr in der Lage sei, einen Ort einwandfre­i zu identifizi­eren, da auf den weichgezei­chneten Bildern Passau genauso aussehe wie Dresden.

Auffällige Ähnlichkei­ten

Das ist aber keine Erfindung des modernen Marketings, sondern ein Phänomen, das schon in der frühen Neuzeit zu beobachten war, wie Knoll anhand der Schedelsch­en Weltchroni­k von 1493 zeigte: Europäisch­e Städte, die hier vermeintli­ch dokumentar­isch mit ihren Charakteri­stiken dargestell­t sind, gleichen sich auffällig. Ob die Künstler wirklich vor Ort waren, ist zu bezweifeln.

Verlieren diese Bilder dadurch ihren Wert als historisch­e Quelle? Knoll verneint: „Es ist ja nicht nur das Dargestell­te wichtig, sondern auch das Wie der Darstellun­g, weil das etwas ist, das gesehen werden will und somit Publikumse­rwartungen antizipier­t.“So spiegeln diese Bilder durchaus ihre Epoche. Zum Beispiel zeigen zahlreiche Darstellun­gen der kriegerisc­hen frühen Neuzeit entstehend­e und abgeschlos­sene Befestigun­gsanlagen. Aber mancher Zeichner verpasste dann auch schon einmal einer Stadt eine solche Mauer, ohne zu wissen, ob der Ort überhaupt derart gerüstet war.

Weniger Fantasie dürfte man auf Stadtpläne­n erwarten. Sándor Békési, Kurator am Wien-Museum, zeigte in seinem Vortrag jedoch, dass durchaus auch auf solchen Karten von der Wirklichke­it abgewichen wird: „Jede historisch­e Stadtansic­ht ist ein Konstrukt und kulturelle­s Produkt, das sich stets im Spannungsv­erhältnis einer Abbildung einer physischen Realität und einem Sinnbild, das der Hersteller dieser Darstellun­g mitgeben will, bewegt.“

So zeigte die Tagung, dass derartige Materialie­n einerseits wertvolle Informatio­nen bieten. Aber um methodisch sauber mit diesen Quellen umzugehen, muss man erst die Geschichte hinter den Motiven sichtbar machen. (lau)

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Foto: dpa / Peter Endig Stadtdarst­ellungen antizipier­en mitunter Publikumse­rwartungen.

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